Kilian Heck / Christian Thielemann (Hgg.): Friedrichstein. Das Schloß der Grafen von Dönhoff in Ostpreußen, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2006, 320 S., 60 Farbtafeln, 200 s/w-Abb., ISBN 978-3-422-06593-2, EUR 68,00
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Zu den bemerkenswertesten kulturellen Zeugnissen aus der Zeit Kurfürst/König Friedrichs I. von Preußen zählt eine kleine Gruppe von Landschlössern im alten Herzogtum Preußen. Von diesem seit 1656/7 souveränen Besitz des Hauses Hohenzollern sollte sich die preußische Königswürde ableiten. Dort entstanden nach 1700 einige Adelsschlösser, die sich durch ihre baulichen Dimensionen und ihre architektonische Pracht deutlich von den übrigen Adelsbauten auf dem Boden dieser Monarchie abhoben. Dazu gehörten neben dem hier behandelten Friedrichstein noch die Schlösser Schlobitten, Finkenstein und Dönhoffstädt.
Zu ihrer Entstehungsgeschichte gehören sowohl der dringende Wunsch des "Neukönigs" Friedrich, über einen stattlichen Hofadel, wie er etwa in Dresden oder Wien die Norm war, zu verfügen als auch das Verlangen der Schlossherrn, sich als eine hofnahe politische Elite von ihren Standesgenossen abzuheben.
Dieser Kontext kommt in den verschiedenen Beiträgen dieses Gemeinschaftswerkes zahlreicher Autoren gut zum Ausdruck. So wird einleitend die Familiengeschichte ausreichend beleuchtet. Aufschlussreich ist es für den Leser hier zu erfahren, wie die Familie von Dönhoff auf ihrem Weg zum Besitz stattlicher Ländereien und einflussreicher politischer Ämter zwischen den einzelnen Herrscherhäusern Nordosteuropas lavierte. Selbst in der damals grundlegenden Frage, wie man sich konfessionell positionierte, bezog man nicht eindeutig Stellung. Man war katholisch oder reformiert entsprechend der Ausrichtung des fürstlichen Dienstherrn.
Die Autoren beschränken sich in ihren historischen Überblicken jedoch nicht allein auf die Frühe Neuzeit. Auch das 19. und 20. Jahrhundert kommen ausführlich zu Wort. Dank zahlreicher Dokumente und persönlicher Aufzeichnungen wird das sozial exklusive und abgeschottete Leben einer adligen Großgrundbesitzerfamilie, die, solange die Monarchie existierte, ihre politischen Beziehungen nie vernachlässigte, facettenreich beschrieben. Licht fällt auch auf die dramatischen Umstände des weitgehenden Unterganges dieser Adelswelt gegen Ende des 2. Weltkrieges.
Damals ging ein Großteil dieser Gebäude, die vor allem von der jahrhundertelangen Herrschaft ihrer Besitzerfamilien über Land und Leute zeugten, samt ihres umfänglichen Inventars verloren bzw. wurde absichtsvoll nach Ende der Kampfhandlungen zerstört, um eine neue soziale und politische Ordnung in diesen Gebieten vorzubereiten. Mit ihnen fand eine spezifische, in Jahrhunderten gewachsene Lebensform im Osten Europas ihr definitives Ende. Nur aus einigen wenigen Schlössern wie Friedrichstein konnten Teile der kostbaren Ausstattung noch rechtzeitig nach Westen in Sicherheit gebracht werden.
Ausführlich werden natürlich die Baugeschichte, die architektonischen Würdeformen sowie die Frage nach der Urheberschaft und den Vorbildern für diesen stattlichen Adelsbau erörtert. Die enge Verbindung zum Baugeschehen in der Berliner Residenzlandschaft wird deutlich herausgestellt. Mit Schlössern wie Friedrichstein suchte man auf preußischem Boden Anschluss an die höfischen Standards der führenden europäischen Herrscherhäuser zu gewinnen.
Schließlich ist hervorzuheben, dass in dieser monografischen Behandlung eines bedeutenden Herrenhauses der Ausstattung besondere Beachtung geschenkt wird. Häufig erschöpften sich ältere Untersuchungen zu vergleichbaren Schlössern in einer möglichst detaillierten Beschreibung des Baugeschehens, während dem adligen Lebensstil kaum Beachtung geschenkt wurde.
Diese wesentliche Seite der Adelskultur wird nicht nur durch eine Vielzahl eindrucksvoller alter Fotografien, welche den Zustand der Innenräume um 1910 illustrieren, gewürdigt, sondern auch durch eine gesonderte Behandlung der Schwerpunkte der dortigen Kunstsammlungen. Dabei wird von den Autoren zumeist sorgfältig zwischen altem Familienbesitz und gegen Ende des 19. Jahrhunderts angekauftem hochwertigen Kunstgut unterschieden. Auf dem Schloss befand sich nicht nur eine stattliche Zahl alter Familienporträts, sondern auch eine Reihe alter Wandteppiche, die im Einzelnen vorgestellt und erläutert werden. Ergänzt wurden diese Bestände vor allem durch die intensive Sammlungstätigkeit August von Dönhoffs, der durch Neuerwerbungen auf dem internationalen Kunstmarkt den barocken Kern des alten Familienbesitzes gezielt abzurunden suchte. Unterstützt durch den Berliner Museumsdirektor Wilhelm von Bode, der auf höchst eigenwillige Art seine amtliche Tätigkeit mit der eines Kunstagenten verband, trug er eine beachtliche Sammlung von Kleinbronzen zusammen.
Insgesamt betrachtet handelt es sich um einen höchst lesenswerten Beitrag zur neuzeitlichen Adelskultur, in dem sich Text und Bebilderung hervorragend ergänzen. Gewiss hat die Anlage des Buches zu inhaltlichen Überschneidungen geführt, aber dies wird man ebenso verschmerzen wie den Umstand, dass einige der Autoren gelegentlich den Einsichten einer Zeitzeugin ein Übermaß an Beachtung geschenkt haben.
Peter-Michael Hahn