Christiane Streubel: Radikale Nationalistinnen. Agitation und Programmatik rechter Frauen in der Weimarer Republik (= Geschichte und Geschlechter; Bd. 55), Frankfurt/M.: Campus 2006, 444 S., ISBN 978-3-593-38210-4, EUR 45,00
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Nationalistische und antidemokratische Propaganda verstand es in der Weimarer Republik Massen zu mobilisieren. Dass zu diesen Massen auch Frauen gehörten, lässt sich am hohen Zuspruch weiblicher Wähler für rechte Parteien wie die DNVP ablesen. Die historische Forschung näherte sich den Frauen im konservativ-völkischen Spektrum bisher allerdings nur zaghaft. Wie Christiane Streubel in ihrer Dissertation eingangs feststellt, ist bislang wenig bedacht worden, "dass die nationalistischen Organisationen nicht nur männliche Aktivisten in ihren Reihen hatten"(13). Diesem Desiderat begegnet die vorliegende Studie, deren Augenmerk auf der öffentlichen Agitation und Programmatik radikaler Nationalistinnen liegt.
Gegenstand der Untersuchung ist der Ring Nationaler Frauen, der von 1920 bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme als Dachverband verschiedener nationalistischer Frauenorganisationen fungierte. Der dem rechten Flügel der DNVP nahestehende Zusammenschluss verstand sich als Vertretung deutscher Interessen, Träger des Gedankens der Volksgemeinschaft und als "nationale" Alternative zur bürgerlichen Frauenbewegung. Der Untersuchungszeitraum der Studie erstreckt sich auf die gesamte Weimarer Republik, wobei die Bedeutung des Jahres 1918 als eines "fulminanten Legitimationsschub[es]" (107) für die politische Betätigung von Frauen mehrfach betont wird: Herrschaftswechsel und Einführung des Frauenwahlrechts eröffneten der weiblichen Bevölkerung gänzlich neue Möglichkeiten, an der Gestaltung von Gesellschaft und Staat mitzuwirken.
Wie Frauen der politischen Rechten diese Chance nutzten, stellt dann auch eine Kernfrage der Arbeit dar. Ihrem ideengeschichtlichen Ansatz gemäß beschäftigt sich Streubel mit dem weiblichen Beitrag zur Formierung und Formulierung des radikalnationalistischen Weltbildes. Quellengrundlage sind die bislang von der Forschung nicht berücksichtigten "Textprodukte von politischen 'Debütanten' und Außenseitern" (16). Viele Protagonistinnen des Rings Nationaler Frauen waren als politische Journalistinnen tätig. Ihre Veröffentlichungen, vor allem in der Tageszeitung des Alldeutschen Verbandes "Deutsche Zeitung" und ihren Frauenbeilagen sowie in der Zweiwochenschrift "Die Deutsche Frau", dem Organ des Rings Nationaler Frauen, geben Aufschluss über den politischen Aktivismus und das Ideensystem radikalnationalistischer Frauen.
Der Aufbau der Arbeit trägt dabei sowohl dem Kontext der deutschen Rechten als auch den besonderen Bedingungen weiblichen Engagements Rechnung. Nach der Darstellung des methodischen Vorgehens zeigt das Kapitel "Sprechräume", dass infolge der allgemeinen Nationalisierung im Kaiserreich und der Diskussionen um das Frauenstimmrecht die weibliche Bevölkerung auch im rechten Milieu nicht mehr übersehen werden konnte. Frauen, die sich mit der rechten Ideologie identifizierten, waren seit wilhelminischer Zeit in die Gesinnungslager eingebunden und erhielten über Frauenorganisationen - vor allem nationalistische Agitationsverbände und protestantische Zusammenschlüsse wie den Flottenbund Deutscher Frauen oder den Deutsch-Evangelischen Frauenbund - Zugang zur Öffentlichkeit. Die Vertreterinnen des Rings Nationaler Frauen gehörten laut Streubel meist "zu dem Teil des protestantischen Mittelstandes, der sich angesichts der Verschlechterung seiner gesellschaftlichen Position dem radikalen Nationalismus zuwandte, um seinen Anspruch auf [...] Überlegenheit aufrechtzuerhalten" (394). Das Rederecht ergab sich nicht zuletzt aufgrund der meist bürgerlichen Herkunft, der gehobenen Ausbildung und des beruflichen Engagements der Journalistinnen. Sie wussten das Recht auf Beteiligung an den rechten Diskursen aber vor allem in Zeitschriften zu nutzen, die sich an ein weibliches Publikum richteten. In der allgemeinen deutschnationalen Presse war die Platzierung von Artikeln hingegen schwieriger und beispielsweise von der Kontrolle durch die Verlagsleitung oder dem Termin der nächsten Wahlen abhängig.
Im Kapitel "Programmatik" erläutert Streubel unter den Überschriften "Frauen", "Volk" und "Staat" plausibel, dass die radikalnationalistischen Publizistinnen ebenso wie ihre männlichen Pendants danach trachteten, die verhasste Demokratie zu überwinden und einen völkisch-deutschen Staat zu schaffen. Sie arbeiteten dabei allerdings, so das Fazit, auf eine Modifikation des rechten Geschlechterkonzepts in Richtung eines "völkisch-nationalen Feminismus" hin. Dem gängigen Bild ausgegrenzter Frauen stellten sie einen "neuen Frauentyp" gegenüber, "der sich bewusst und verantwortungsvoll in die Politik und Staatsführung einschalten sollte" (398).
Die "Frage nach Diffusions(miss)erfolgen" (38) der radikalen Nationalistinnen kann Streubel nur teilweise beantworten. Dies scheint allerdings vorwiegend daran zu liegen, dass sich zu dieser Thematik wenige Quellen finden lassen. Die Autorin schließt auf eine starke Position des Rings Nationaler Frauen gegenüber der bürgerlichen Frauenbewegung, weil diese die Gefahr der Konkurrenz der Verbände stärker betonte als politische Gegensätze. Im rechten Lager wiederum waren einige Journalistinnen aus dem Ring Nationaler Frauen medial präsent und erlangten eine gewisse Definitionsmacht gerade bei frauenpolitischen Themen. Allerdings bleibt ihr Einfluss auf die Positionen der radikalnationalistischen Politik und die männlichen Meinungsführer fraglich, zumal "deren Publikationen zumeist durch das Fortlassen von Frauen" (373) geprägt waren.
Christiane Streubels Studie überzeugt durch die Verarbeitung vieler Anstöße aus der Kultur-, Begriffs- und Geschlechtergeschichte sowie durch die Berücksichtigung einer breiten Literatur- und Quellenbasis. Zudem tragen klare Strukturierung, gute Lesbarkeit und regelmäßige Zwischenbilanzen zu einer leichten Orientierung bei. Die Einbeziehung einer spezifischen Frauenöffentlichkeit macht den Band zu einem ebenso spannenden wie wertvollen Beitrag zur Ideengeschichte der Weimarer Republik.
Elisabeth Zellmer