Richard Bösel / Herbert Karner: Jesuitenarchitektur in Italien (1540-1773). Teil 2: Die Baudenkmäler der mailändischen Ordensprovinz (= Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturforum in Rom. Abhandlungen; Bd. 13), Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2007, Textband: 442. Tafelband: 13 S., 276 Abbildungen, ISBN 978-3-7001-3781-8, EUR 140,80
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Die Architektur der Jesuiten war seit der Gründung des Ordens von dessen zentralisierter Gliederung geprägt, schon 1558 werden Leiter der Bauten erwähnt, eine genauere Regelung zur Genehmigung neuer Architekturentwürfe wurde 1565 erlassen. Nach diesen Bestimmungen mussten alle Bauten vom General des Ordens in Rom gebilligt werden. Die Pläne mussten drei Instanzen passieren: eine lokale Kommission unter den jeweiligen Superioren, eine Begutachtung durch die jeweilige Jesuitenprovinz und schließlich durch die Zentrale in Rom, in der ein Consiliarius aedificiorum (meist der Mathematikprofessor des römischen Jesuitenkollegs) unter Heranziehung ausgewählter weltlicher Architekten ein abschließendes Urteil abgab. Ab 1632 mussten Pläne in doppelter Ausführung eingereicht werden, zahlreiche dieser Pläne sind heute (wegen der temporären Auflösung des Ordens im 18. Jahrhundert) in der Pariser Nationalbibliothek erhalten.
Zwischen 1579 und 1580 von Pater Rosis erstellte Idealpläne für Kirchenbauten und ein unvollendeter, heute verlorener Architekturtraktat von Pater Valeriano bestimmten die Vorgaben, allerdings zeigen neuere Forschungen, dass diese als "Modus noster" bezeichneten Elemente schon bald an Einfluss verloren. [1] Prägend für die jesuitische Kirchenarchitektur wurde Il Gesú in Rom, nach früheren Plänen ab 1568 unter der Leitung von Giacomo Barozzi da Vignola und später Giacomo della Porta erbaut. Dieser Bau wurde später auch für viele nichtjesuitische Barockkirchen vorbildlich. Weitere wichtige stilbildende frühe Kirchenbauten sind die bald zu klein werdende Capella della Nunziata des Römischen Kollegs, der eigentliche Kirchenbau des Kollegs Sant'Ignacio (ab 1629 unter Beteiligung von Grassi, Domenichino und vielleicht Maderno errichtet), die Michaelskirche in München und die Kirche des Heiligen Karl Borromäus in Antwerpen, die den italienischen Barock in Belgien einführte.
Die vorliegende Studie setzt ein von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter der Federführung des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom betreutes Projekt der Erfassung der italienischen Jesuitenarchitektur fort, zu dem schon die Bände zur römischen und neapolitanischen Ordensprovinz in gleicher Aufmachung (Text und Tafelband) 1986 erschienen sind. Ursprünglich war die Behandlung der Mailänder Provinz (Provincia Mediolanensis) und der von Venetien in einem Band geplant, der Band zu Venetien soll nun als eigener dritter Band in Zukunft folgen und ein Band zur sizilianischen Provinz das Projekt abschließen.
Diese lombardische Provinz der Societas Iesu in Italien entstand mit den zwei anderen Provinzen in Italien (Rom und Neapel) bereits 1553, sie erhielt 1569 Ligurien und Bologna hinzu, 1578 wurde die neu gegründete venetianische Provinz abgespalten. Die Lombardei betreute auch Korsika und den Piemont.
Der vorliegende Band übernimmt die Gliederung des ersten Bandes. Nach einer kurzen Einleitung folgen "Kurzmonographien" zu den einzelnen Bauten, die auf Bauuntersuchungen, Archiv- und Quellenrecherchen beruhen. Behandelt werden erhaltene Bauten und zerstörte. Die Schilderungen des Textbandes sind alphabetisch nach den Orten der Provinz geordnet, innerhalb der Orte erhalten die jeweiligen Kirchen und Gebäudekomplexe eigene Einträge (z.B. das Professhaus in Mailand oder das Kolleghaus in Mailand, heute nach erheblichen Umbauten Sitz der Brera und der Biblioteca Nazionale Braidense). Innerhalb der Einträge wird, falls angebracht, kurz auf Vorgängerbauten eingegangen, dann die Gründungsgeschichte der jeweiligen jesuitischen Institutionen vor Ort, die Bauplanungen und detailliert die Baugeschichte und spätere Veränderungen dargelegt, gegebenenfalls auch als Überblick für die nachjesuitische Zeit. Bei baugeschichtlich wichtigen Kirchen und Bauten wird am Ende auch eine kleine Gesamtwürdigung der Bedeutung versucht. Sehr nützlich ist es, dass die wichtigsten Quellen zur Baugeschichte meist aus dem Jesuitenarchiv in Rom am Ende der Artikel in Originalzitaten gebracht werden und eine Liste der Originalzeichnungen vor den Literaturangaben am Ende beigefügt wurde. Es folgt die Literatur zum Thema. Ein Personen- und ein Ortsindex schließen den Band ab. Veranschaulicht werden die Untersuchungen durch den zweiten Band, einen reinen Bildband mit Fotografien, historischen Plänen und Aufrissen.
Erst die genaue Analyse des quellenmäßig gut dokumentierten Materials zu den einzelnen Kirchen zeigt, dass am untersuchten Bestand weniger die in der Literatur immer noch betonte normative Tradition der Gestaltungsrichtlinien des Ordens belegbar ist, sondern eher eine allmählich entstandene korporative "Bautradition" (Einleitung, Bd. 1, 19), die an Bauwerken des Ordens bereits erfolgreich erprobte Vorbildlösungen wiederholt aufgreift, was sich sehr plastisch an Filiationsketten wichtiger Kirchen wie der von San Fedele in Mailand aufzeigen lässt. Natürlich ist die Bedeutung der einzelnen Bauten unterschiedlich, so hatte die Architektur der Jesuitenbauten in Mailand einen ganz anderen Einfluss als diejenige des damals ökonomisch wenig entwickelten Korsika. Mailand verfügte durch die kirchenpolitischen Reformen der Kardinäle Carlo und Federico Borromeo im 16./17. Jahrhundert und als Verwaltungszentrum der jesuitischen Institutionen des gesamten westlichen Oberitalien natürlich über eine Vorbildfunktion. Diese Ergebnisse rechtfertigen sicher den positivistischen Ansatz des Corpuswerks und dessen monumentalen Umfang als nötige Grundlagenforschung auf breiter Quellenbasis und der Basis baugeschichtlicher Befunde.
Anmerkung:
[1] Artikel "Arte, Arquitectura", in: Diccionario histórico de la Compañía de Jesús, hg. von Charles E. O'Neill, Rom 2001, Bd.1, 248.
Franz Obermeier