Ina Eichner / Vasiliki Tsamakda (Hgg.): Syrien und seine Nachbarn von der Spätantike bis in die islamische Zeit (= Spätantike - Frühes Christentum - Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend. Reihe B: Studien und Perspektiven; Bd. 25), Wiesbaden: Reichert Verlag 2009, VIII + 296 S., ISBN 978-3-89500-674-6, EUR 98,00
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Ein Buch, dessen Titel den geographischen Schwerpunkt auf Syrien und dessen Nachbarregionen legt und einem zeitlichen Rahmen von der Spätantike bis zur islamischen Zeit aufweist, spricht Vertreter verschiedener Disziplinen an. Diese Rezension ist aus islamwissenschaftlicher Perspektive geschrieben und setzt damit andere Schwerpunkte als beispielsweise die Buchbesprechung eines Kunsthistorikers.
Ein erster Blick in das Vorwort verrät, dass es sich bei dem hier zu besprechenden Sammelband um eine Festschrift handelt. Genauer: Um eine Festschrift zu Ehren von Christine Strube, Professora emerita des Lehrstuhls für Byzantinische Archäologie und Kunstgeschichte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Diese Tatsache, welche die Herausgeber nur indirekt zum Ausdruck bringen, ist insofern von Bedeutung, als dass sie Rückschlüsse auf Inhalt und Aufbau des Sammelbandes zulässt, die kurz skizziert werden sollen.
Sieben der dreizehn Beiträge legen den geographischen Schwerpunkt auf das spätantike Syrien. G. Brandes untersucht anhand des Baubestandes und schriftlicher Quellen das "Eiserne Tor" bei Antiochia, das die Stadt als Dammbau vor den Sturzbächen der Parmeniosschlucht schützen sollte, und rekonstruiert die einzelnen Bauphasen. B. Brenk geht der Nutzung der Kathedrale von Gerasa anhand von Ausgrabungen eines östlich der Kathedrale gelegenen Portikus nach. Er kommt zu dem Schluss, dass die Kirche nach den islamischen Eroberungen bis zum Erdbeben 658 n. Chr. weiter genutzt wurde und dass nach deren Einsturz der Portikus zu Wohn- und Werkanlagen umgebaut wurde, bevor ein weiteres Erdbeben (749 n. Chr.) auch diesen zerstörte. P. Grossmann widmet sich den Kirchen in Syrien, die statt einer Apsis einen rechteckigen Altarraum aufweisen. Er argumentiert sehr überzeugend dafür, dass die Kirchen unvollendet waren und dass später eine Apsis in den "Rohraum" eingefügt werden sollte (108). D. Korol unterzieht die David- und Goliath-Darstellung im Baptisterium von Dura-Europos einer näheren Untersuchung und vergleicht diese mit den Bildern im Vatopedi-Psalter. Es gelingt Korol nicht nur durch sehr genaue Beobachtung, neue Details in den Wandmalereien zu entdecken, was dazu führt, dass er eine Verbindung zwischen beiden Darstellungen ablehnt. Vielmehr kann er die Darstellungen im Baptisterium aus der 1. Hälfte des 3. Jahrhundert n. Chr. glaubhaft als ein Produkt römischer und sasanidischer Ikonographie ausmachen (145). Andere frühchristliche Wandmalereien, diesmal in der Tempelcella des ehemaligen Bel-Tempels in Palmyra, der in eine Kirche umgewandelt wurde, stehen im Mittelpunkt von S. Westphalens Aufsatz. Diese figürlichen Darstellungen befanden sich vermutlich in der (melkitischen) Bischofskirche in Palmyra, die dort neben vier anderen Kirchen existierte und später in eine islamische Moschee umgewandelt wurde. Sowohl A. Arbeiter als auch C. Stephan-Kaissis beschäftigen sich in ihren Beiträgen mit Terrakotta-Amuletten, die vornehmlich im 6. Jahrhundert als Pilgermitbringsel aus dem "Heiligen Land" dienten. Während Arbeiter die Bildaussagen von vier solchen Amuletten, die in Portugal gefunden wurden, einordnet und erläutert, vergleicht Stephan-Kaissis die Darstellung von Säulenheiligen auf solchen Amuletten mit dem Bild eines Styliten in Chludovpsalter, einer bebilderten Handschrift des 9. Jahrhunderts. Da einige Christen der Meinung waren, dass Gottes Geist nicht nur durch die Säulenheiligen, sondern auch durch Abbildungen von ihnen wirkt, spricht die Autorin von "beseelten Bildern". Diese Ansicht sieht sie dann auch in der Malerei im Chludovpsalter vertreten. Auch I. Eichner, welche die ländlichen Häuser in frühbyzantinischer Zeit untersucht, wählt Beispiele aus Syrien, genauer aus der Ḥaurāngegend. Darüber hinaus wendet sie den Blick nach Kilikien, indem sie diese Häuser mit denen Kilikiens vergleicht. Durch diesen Vergleich, der uns Einblick in das ländliche Leben der Spätantike und der Zeit des frühen Islam gewährt, kann die Autorin bedeutende Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Hausbaus ausmachen. Während sich beispielsweise der Grund- bzw. der Aufriss dieser Häuser in Syrien und Kilikien unterscheidet, wurden beide Typen um einen ummauerten Innenhof gebaut (90).
Zwei weitere Aufsätze legen den Schwerpunkt auf Kilikien. Während G. Mietke anhand der von Herzfeld aufgezeichneten Messpunkte die einzelnen Bauphasen der Basilika von Meriamlik rekonstruiert und zu dem Schluss kommt, dass die heutige Basilika aus der Mitte bzw. der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts stammt und auf einem Vorgängerbau aus der Mitte des 4. Jahrhunderts basiert, unterzieht U. Peschlow die Zisternen von Meriamlik einer näheren Untersuchung. Nach einer Beschreibung der sieben Zisternen mit besonderem Fokus auf die in dieser Gegend sehr seltene Ziegelbautechnik argumentiert der Autor, dass zumindest Zisterne Nr. 1 aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts stammt und damit zu dem durch Kaiser Zenon gestifteten Gesamtkomplex der Theklabasilika gehören könnte. Beide Autoren bestätigen somit die Bauzeit der gesamten Anlage.
Während sich der Aufsatz P. Niewöhners über die "fleischigen" Akanthusblätter, die entgegen des Trends antike Formen bewahren, nicht geographisch zu ordnen lässt, nimmt in den letzten beiden Beiträge Mesopotamien einen gewissen Raum ein. V. Tsamakda stellt die Evangelienharmonie Tatians, das sog. Diatessaron, vor und beleuchtet den Zusammenhang zwischen demselben und der Bebilderung des Rabbula-Codexes, einer Handschrift aus dem 6. Jahrhundert. Daraus, dass ein Teil der Bebilderung der Reihenfolge des Diatessaron folgt, schließt er, dass die Evangelienharmonien die frühe christliche Kunst beeinflusste (188). Ob die Bebilderung aber auf ein illustriertes Diatessaron-Exemplar zurückgeht oder nur vom Text inspiriert war, ist unklar. G. Wolf beschreibt die Reise der Egeria um 400 nach bzw. die des Mandylion von Edessa, das der islamische Herrscher gegen den Widerstand der Edessener 944 an den byzantinischen Kaiser übergaben.
Wie diese Aufstellung zeigt, nimmt in allen Beiträgen die Spätantike und der Großraum Syrien einen breiten Raum ein. Damit ist der Titel des Sammelbandes gut gewählt. Für den Islamwissenschaftler sind besonders die Beiträge von Brenk, Eichner, Westphalen und Tsamakda von Interesse, da sie die spätantiken Linien bis in die islamische Zeit weiterverfolgen. Sei es die Weiternutzung der Basilika von Gerasa nach der Eroberung durch die Muslime, sei es das Fortbestehen der ländlichen Hausarchitektur oder die Überlieferung von Tatians Diatessaron in arabischen Handschriften - an all diesen Beispielen zeigt sich, wie sehr die islamische Kultur mit der spätantiken Tradition verwoben war.
Wie jede Festschrift zeichnet sich auch diese durch einen breiten thematischen Rahmen und eine unterschiedliche Qualität der Beiträge aus. Der kunsthistorische Fokus, der sich in den zwei Teilen "Architektur und Baudekoration" bzw. "Malerei und Kult" widerspiegelt, in welche dieser Sammelband eingeteilt ist, mag für Kunsthistoriker der Spätantike von besonderem Interesse sein. Doch auch für Islamwissenschaftler hat diese Festschrift einiges Lesenswertes zu bieten!
Jens Scheiner