Stephen Hodkinson (ed.): Sparta. Comparative Approaches, Swansea: The Classical Press of Wales 2009, XXXIV + 502 S., ISBN 978-1-905125-38-8, GBP 55,00
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Thomas J. Figueira (ed.): Spartan Society, Swansea: The Classical Press of Wales 2004
Martin Dreher: Athen und Sparta, München: C.H.Beck 2001
Andreas Luther / Mischa Meier / Lukas Thommen (Hgg.): Das Frühe Sparta, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2006
Paul Cartledge: Spartan Reflections, London: Duckworth Publishers 2001
Lukas Thommen: Sparta. Verfassungs- und Sozialgeschichte einer griechischen Polis, Stuttgart: J.B. Metzler 2003
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Walter E. Kaegi: Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge: Cambridge University Press 2003
Margarethe Billerbeck (Bearb.): Stephani Byzantii Ethnica. Vol. I: Alpha-Gamma, Berlin: De Gruyter 2006
Mit dem hier zu besprechenden Sammelband findet die von Stephen Hodkinson und Anton Powell inaugurierte Reihe bewährter, international besetzter Konferenzbände zum Thema 'Sparta' eine gehaltvolle Fortsetzung. [1] Das Buch umfasst einen Teil der Vorträge, die auf der Tagung "Sparta: Comparative Approaches and Classical Tradition" im Jahr 2007 in Nottingham präsentiert wurden, und setzt den Schwerpunkt auf methodische Zugänge zum Phänomen Sparta, die von Vergleichen - sowohl mit verschiedenen griechischen Gemeinwesen als auch mit anderen Gesellschaften - ausgehen. [2] Dabei werden sowohl konkrete inhaltliche Fragen als auch grundsätzliche methodische Probleme des historischen Vergleichs thematisiert. Letztere werden bereits in der Einleitung vom Verfasser diskutiert, der darauf hinweist, dass gerade Sparta immer wieder gerne für Vergleiche herangezogen wurde, wobei es mitunter zu erheblichen Komplexitätsreduktionen bei den betrachteten Phänomenen gekommen sei. Zudem habe der komparative Ansatz schon frühzeitig in der Forschung die Vorstellung von der Exzeptionalität Spartas verankert, gegen die Hodkinson sich zu Recht entschieden wendet - letzteres in Form einer Analyse der britischen Sparta-Forschung seit ca. 1950 (XIff.), in deren Kontext der Verfasser vor allem die wichtigen Arbeiten von G.E.M. de Ste. Croix, Paul Cartledge und M. I. Finley sowie schließlich seine eigenen Untersuchungen hervorhebt.
Fünf große Sinnabschnitte strukturieren den Sammelband. Im ersten Teil ("Political and Hegemonic Structures", 1-88) liefert zunächst E. Millender eine ausführliche Analyse des spartanischen Doppelkönigtums. In drei Zeitschnitten vorgehend (Kleomenes I. - Agesilaos II. - Agis IV. / Kleomenes III.) verfolgt sie die literarische Darstellung von Königen und Königtum in den Quellen sowie die Entwicklung der Institution, stets unter Berücksichtigung der Rolle prominenter weiblicher Mitglieder der Königsfamilien. Dabei zeigt sich, dass die institutionellen Grenzen des Königtums permanent präsent gehalten wurden (auch wenn Herodot und Euripides spartanische Könige in die Nähe barbarischer Monarchen rücken), charismatische Könige aber in der Lage waren, auf unterschiedliche Weise persönliche Macht und Einfluss auszuweiten; so gelang es etwa Agesilaos II., seine Schwester Kyniska in "public affairs" zu involvieren, um so seine eigene Position innerhalb der spartanischen Elite zu festigen (24f.); Kyniska wiederum wurde, so Millenders These, später selbst zum Vorbild für ptolemäische Herrscherinnen, die dann wiederum die Selbstdarstellung weiblicher Mitglieder der spartanischen Königsfamilien in hellenistischer Zeit beeinflussten (31-38). - Einen strukturellen Vergleich der Einflusssphären bzw. Bündnissysteme Spartas und Elis' in archaischer und klassischer Zeit bietet James Roy. Er betont zunächst das einvernehmliche Verhältnis zwischen beiden Gemeinwesen, das bis in die 420er Jahre relativ spannungsfrei gewesen sein muss, obwohl beide Seiten parallel jeweils eigene Bündnissysteme aufbauten, die jedoch ganz unterschiedlich strukturiert waren: Während Sparta im Peloponnesischen Bund vor allem die Hegemonie über die größten Teile der Peloponnes erstrebte, beschränkte sich Elis auf ein eher bescheidenes Gebiet, das auch kaum mit militärischer Macht kontrolliert wurde; vielmehr setzten die Eleer auf das Kapital, das aus der Herrschaft über das Zeusheiligtum in Olympia zu gewinnen war.
Der zweite Hauptteil des Buches ist "Social Institutions" betitelt (89-191). S. Link arbeitet hier Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Erziehungssystemen in Sparta sowie in kretischen Poleis heraus und weist insbesondere darauf hin, dass Päderastie in Sparta keine Institution im engeren Sinne dargestellt hat: "The difference between Crete and Sparta could hardly be clearer: harmoniously integrated into the official paideia and combined with the officially institutionalised pederasty, this special kind of 'friendship' strengthened the citizenry on Crete. Neither integrated nor anyhow connected with the official education, the very same phenomenon weakened the citizenry at Sparta" (102). - Grundlegenden Charakter besitzt Adam Rabinowitz' Studie zu den spartanischen Syssitien im Vergleich mit Symposien in anderen griechischen Gemeinwesen der archaischen und klassischen Zeit. Rabinowitz bezweifelt die grundsätzliche Differenz zwischen den auf das Gemeinwesen hin ausgerichteten, exakt reglementierten Syssitien einerseits und den eher 'privaten' Symposien andererseits und weist mit großem Nachdruck auf die Probleme des literarischen und archäologischen Quellenmaterials hin (das in diesem Kontext einer grundlegenden Revision unterzogen wird). Für ihn stellen Symposien keine Foren 'privater' Geselligkeit unter Gleichgesinnten dar, sondern Orte, auf denen Spannungen innerhalb der Eliten in archaischen Gemeinwesen verhandelt und eingeebnet wurden (weshalb sie seinen Ergebnissen zufolge zunächst auch gar nicht in 'privaten' Räumen stattfanden, sondern in 'öffentlichen' und kultischen Zusammenhängen). Erst im 5. Jahrhundert sei - wie der Autor auf Basis einer statistischen Analyse der Fundkontexte von Krateren in Megara Hyblaia, Himera und Selinunt wahrscheinlich macht - eine "'privatization' of the symposion" erfolgt (164). Die spartanischen Syssitien seien vor diesem Hintergrund zu interpretieren: "When viewed in conjunction with the literary and archaeological evidence [...], the rules regulating the Classical syssition appear designed to reconstruct the Archaic symposion not as it was, but as it should have been. The syssition is placed in public space, as I argue the early symposion was [...]" (166).
Im dritten Abschnitt stehen "Religious Institutions and Practice" im Vordergrund (193-260). M. A. Flower entwickelt die These, dass Kultausübung und Religiosität in Sparta sich signifikant von vergleichbaren Phänomenen in anderen Poleis unterschieden hätten. Seiner Ansicht nach seien für Sparta "a different set of key symbols from other Greeks" sowie "a different attitude towards the gods" zu konstatieren (205); in der Forschung habe man dies bisher allzu sehr heruntergespielt, doch unterscheide sich die spartanische 'Religion' insbesondere in drei Bereichen fundamental von derjenigen anderer griechischer Poleis: Beim Kultpersonal, in den religiösen Festen sowie mit Blick auf Götter und Heroen. "The permeability of the categories of mortal, hero, and god, and the easy slippage between them, is more pronounced than in other Greek communities [...]" (214). Die besondere 'Religion' sei jedenfalls als entscheidender Faktor für die lange Stabilität des 'Kosmos' Sparta zu bewerten (215). - Aufschlussreich ist auch der nachfolgende Beitrag von A. J. Bayliss, der den insbesondere in Sparta gepflegten "deceptive oath" untersucht, d.h. Eide, die so formuliert sind, dass das Gegenüber letztlich doch bestimmte Handlungen hinnehmen muss, die es eigentlich durch den Eid hatte ausschließen wollen, in denen also mehr kommuniziert wird als gesagt wird (vgl. 241). Bayliss zeigt auf, dass diese Art der Eidesleistung im griechischen Raum grundsätzlich Akzeptanz fand, doch gab es auch Ausnahmen, wie z.B. Kleomenes I., bei dem ein "deceptive oath" als weiteres Indiz für seinen grundsätzlich schlechten Charakter galt und deshalb nicht toleriert wurde.
Im anschließenden Hauptabschnitt "Helots, Spartans and Barbarians: Historiography and Representations" (261-382) unternehmen D. M. Figueira und Th. J. Figueira den Versuch, dem Problem einer kollektiven Identität der messenischen Heloten und ihrem Verhältnis zu den Spartanern mit Hilfe der postcolonial studies näherzukommen. Den Gewinn sehen sie insbesondere in der Möglichkeit, ein neues "set of questions" zu erarbeiten (320). - L. Langerwerf unterzieht die literarische Ausgestaltung des messenischen Freiheitshelden Aristomenes im Werk des Pausanias einem Vergleich mit der Darstellung des Drimakos, des Anführers eines Sklavenaufstandes auf Chios, bei Athenaios. Sie zeigt auf, dass beiden Figuren unterschiedliche literarische Konzeptionen zugrundeliegen: Auf der einen Seite der ungestüme, maßlose Kriegsheld (Aristomenes), auf der anderen Seite der Anführer, der auch zu beschwichtigen vermag, der Ausgleich herstellen kann, viel eher auch herrscherliche Tugenden besitzt und sich damit weit mehr konsensfähig erweist als der letztlich erfolglose messenische Freiheitsheld. - Für eine konsequent ethnographische Lesart von Xenophons Sparta-Schrift (Lakedaimoníon politeía) plädiert R. Harman, die zu zeigen versucht, dass Xenophon den Spartanern einen ähnlichen Platz zuweist wie den Nicht-Griechen und dass sein Traktat vor allem eine wichtige Quelle "for the construction of both Sparta and wider Greek identities in the 4th-century Greek imagination" darstelle (374).
Den letzten Großabschnitt ("Spartan Exceptionalism? A Debate") konstituiert eine umfangreiche Diskussion zwischen M. H. Hansen und S. Hodkinson über die Frage nach der vermeintlichen Ausnahmestellung Spartas. Hansen weist dabei zunächst auf die Problematik der jeweiligen Betrachterperspektive hin, möchte aber insgesamt doch eher am traditionellen Bild der spartanischen Ausnahmestellung festhalten, das von Hodkinson problematisiert wird.
Der Sammelband verweist einmal mehr darauf, dass die Forschung sich beim Thema 'Sparta' weiterhin sehr schwertut, selbst in grundsätzlichen Fragen einen Konsens zu finden. Aus diesem Sachverhalt lassen sich allerdings mannigfache Perspektiven für weiteres Nachdenken generieren. Einige davon aufgezeigt zu haben, ist das Hauptverdienst des Bandes.
Anmerkungen:
[1] Vgl. A. Powell (ed.): Classical Sparta: Techniques Behind Her Success, London 1989; A. Powell / S. Hodkinson (eds.): The Shadow of Sparta, London / New York 1994; S. Hodkinson / A. Powell (eds.): Sparta. New Perspectives, London 1999; A. Powell / S. Hodkinson (eds.): Sparta. Beyond the Mirage, Swansea / London 2002; Th. Figueira (ed.): Spartan Society, Swansea 2004; S. Hodkinson / A. Powell (eds.): Sparta & War, Swansea 2006.
[2] Das Erscheinen des zweiten Bandes zum Thema "Sparta in Modern Thought" (ed. by S. Hodkinson und I. MacGregor Morris) ist für 2011 angekündigt.
Mischa Meier