Tryntje Helfferich (ed.): The Thirty Years War. A Documentary History, Indianapolis/ Cambridge: Hackett Publishing Company, Inc. 2009, XXII + 332 S., ISBN 978-0-87220-939-8, GBP 13,95
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Peter H. Wilson: Lützen, Oxford: Oxford University Press 2018
Jan Peters (Hg.): Peter Hagendorf - Tagebuch eines Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg, Göttingen: V&R unipress 2012
Etwa zeitgleich mit der großen Gesamtdarstellung zum Dreißigjährigen Krieg in englischer Sprache, die Peter Wilson vorgelegt hat [1], hat Tryntje Helfferich ihre Edition von 38 ins Englische übertragenen Dokumenten zur Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs veröffentlicht. Die Herausgeberin betont in der Einleitung, dass sie - statt den Krieg erneut in üblicher Weise darzustellen - jenen, die den Krieg erleben und erleiden mussten, eine Stimme geben und ihnen gestatten wolle, ihre eigenen Geschichten des Krieges zu erzählen. Anders, als es nach dieser Ankündigung zu erwarten wäre, widmet die Herausgeberin dann allerdings der klassischen politisch-diplomatischen Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs doch beträchtliche Aufmerksamkeit.
Dies geschieht zum einen durch die Aufnahme bekannter politisch-diplomatischer Schlüsseldokumente zur Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs, die nun dank der Edition auch in englischer Sprache leicht zugänglich vorliegen. Zu nennen sind hier unter anderem die "Apologia" der Böhmischen Stände (Mai 1618), die Deklaration Friedrichs V. zur Rechtfertigung seiner Entscheidung, die böhmische Krone anzunehmen (1619), das Edikt Ferdinands II. zur Annullierung der böhmischen Königswahl (1620), der Vertrag von Ulm (1620), das Restitutionsedikt (1629), das Kriegsmanifest Gustavs II. Adolf von 1630, die hessen-kasselschen Vorschläge zur Neuordnung des Reichs nach den schwedischen Triumphen (1632), das Kriegsmanifest Georgs I. von Siebenbürgen (1644), die Geheiminstruktion Kaiser Ferdinands III. für den Prinzipalgesandten Trauttmansdorff (1645) sowie umfangreiche Auszüge aus dem Prager (1635) und dem Westfälischen Frieden (1648).
Neben diesen "Klassikern" fanden auch weniger bekannte politische Texte Aufnahme in die Edition. So enthält die Sammlung von Frau Helfferich einige Beispiele der politisch-diplomatischen Korrespondenz der hessen-kasselschen und der französischen Regierung mit ihren Diplomaten. Sie sind gut gewählt, geben sie doch aufschlussreiche Einblicke in die Praxis der kriegsbegleitenden Diplomatie. Gebührend berücksichtigt wird auch die politische Publizistik, etwa charakteristische Beispiele der drastischen Flugschriftenpublizistik zu den Umwälzungen in Böhmen nach 1621 oder zum oberösterreichischen Bauernaufstand von 1626. Darin eingestreut finden sich auch Dokumente zur Militärgeschichte, so die Wiedergabe eines schwedischen Militär-Reglements. Einblicke in einen ganz anderen, nicht minder aufschlussreichen Bereich der Militärgeschichte gibt der Abdruck von im Staatsarchiv Marburg überlieferten Prozessakten des Verfahrens gegen den hessischen Offizier von Schmalhausen, dem vorgeworfen wurde, die Festung Ziegenhain verräterischerweise an den Feind ausgeliefert zu haben.
Entsprechend der Grundausrichtung des Bandes folgen auch Anlage und Gliederung der politisch-militärischen Chronologie. 36 der 38 Dokumente werden in drei chronologisch aufeinander folgenden Abschnitten ("Outbreak of the Thirty Years War 1618-1623", "The intervention of Denmark and Sweden 1623-1635", "The Long War 1635-1648") geboten, die jeweils von einer prägnanten Überblicksdarstellung zum politisch-militärischen Geschehen eingeleitet werden.
Ihre Ankündigung, "to allow those who experienced the war to tell their stories", löst Frau Helfferich ein durch die Aufnahme einer Reihe von größtenteils ebenfalls durchaus als klassisch zu bezeichnenden Ego-Dokumenten. Zu nennen sind hier der Bericht Otto von Guerickes über den Fall und die Zerstörung Magdeburgs, dazu die schon zeitgenössisch publizierten englischsprachigen, auch literarisch beeindruckenden Berichte des schottischen Obersten Monroe über die Schlacht von Breitenfeld und des englischen Botschaftssekretärs Crowne über die verzweifelte Lage im kriegszerstörten Deutschland. Zu diesen Klassikern unter den Ego-Dokumenten gehören natürlich Hans Heberles "Zeytregister" und mittlerweile zweifellos auch das Söldnertagebuch Peter Hagendorfs, die in umfangreichen Textauszügen im Abschlusskapitel der Edition ("Two wartime Lives") einer englischen Leserschaft bekannt gemacht werden.
Es darf als beträchtliche Leistung der Herausgeberin gelten, die Texte zumeist aus dem Frühneuhochdeutschen ("which, especially when written by bureaucrats and lawyers, is notoriously horrible to translate", wie sie zweifellos nicht unberechtigt feststellt [XXII]) in ein gut lesbares Englisch übertragen und damit einer größeren Leserschaft zugänglich gemacht zu haben. Die einleitenden Texte weisen sie als Kennerin der neuesten Forschungsentwicklung zum Dreißigjährigen Krieg aus. Nicht ganz nachvollziehbar ist, weswegen sie - gerade im Falle zentraler politisch-diplomatischer Texte - ihren Übersetzungen wenig verlässliche Nachdrucke in der zeitgenössischen Publizistik zugrunde gelegt hat, obwohl vielfach moderne, gut zugängliche kritische Editionen vorliegen. Dies gilt beispielsweise für die wiedergegebenen Textauszüge aus dem Prager Frieden, der aus einer zeitgenössischen Flugschrift und nicht nach der in jeder Hinsicht exzellenten Edition von Kathrin Bierther von 1998 zitiert wird. [2] Auch beim Abdruck des Ulmer Waffenstillstands und von Memoranden Richelieus wurde offensichtlich auf die Heranziehung der einschlägigen modernen kritischen Textausgaben verzichtet. Dem entspricht, dass in dem Literaturanhang zwar auf verschiedene, zum Teil allgemeine, zum Teil aber auch eher spezielle deutsch- und englischsprachige Arbeiten zum Dreißigjährigen Krieg verwiesen wird, aber leider auf keine der zahlreichen neueren Quelleneditionen zum Dreißigjährigen Krieg, obwohl diese sicherlich für die internationale Leserschaft einer "Documentary History" von Interesse gewesen wären.
Unabhängig von diesen Kritikpunkten ist freilich hervorzuheben, dass die Dokumentation von Frau Helfferich eine wichtige Lücke füllt: Dank der geschickten Auswahl der abgedruckten Quellen, der fundierten Einleitungen und der zum Teil beeindruckenden Übertragung der Dokumente ins Englische ist die Edition geeignet, einer internationalen Leserschaft ein plastisches, quellennahes Bild des Dreißigjährigen Kriegs zu vermitteln, das es in dieser Form noch nicht gab.
Anmerkungen:
[1] Christoph Kampmann: Rezension von: Peter H. Wilson: Europe's Tragedy. A History of the Thirty Years War, London 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 1 [15.01.2010], URL: http://www.sehepunkte.de/2010/01/16429.html [01.02.2012].
[2] Kathrin Bierther (Hg.): Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs, Neue Folge II. Teil, 10. Band: Der Prager Frieden, Teilband 5: Die Vertragstexte und die ihnen zugeordneten Dokumente, München / Wien 1998.
Christoph Kampmann