Christoph Kimmich: German Foreign Policy, 1918-1945. A Guide to Current Research and Resources, 3rd ed., Lanham, MD: Scarecrow Press 2013, XI + 329 S., ISBN 978-0-8108-8445-8, EUR 67,99
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Nützliche Hilfsmittel bringen dem Historiker, der sie veröffentlicht, nicht unbedingt das größte Ansehen, und gelegentlich erreichen sie einen erstaunlich geringen Bekanntheitsgrad. Wer aber mit seiner Arbeitszeit ökonomisch umgehen will (und wer will, ja wer müsste das nicht?), sollte sie kennen und sich von denen helfen lassen, die in solche Hilfsmittel viel und sehr häufig akribische Arbeit investiert haben.
Ein solches überaus nützliches Instrument ist der nun in dritter Auflage (nach der Erstauflage 1981 und einer "revised Edition" 1991) vorgelegte "Guide to Current Resarch and Resources" für die deutsche Außenpolitik zwischen dem Ende des Ersten und dem Abschluss des Zweiten Weltkrieges. Christoph M. Kimmich, emeritierter Professor der City University of New York, ist für dieses Werk prädestiniert, hat er doch in früheren Jahren selbst mehrere Arbeiten zur deutschen Außenpolitik der Zwischenkriegszeit veröffentlicht.
Teil I (1-36) liefert einen knappen Abriss zur Geschichte derjenigen politischen Institutionen, die an der Außenpolitik beteiligt waren, vom Auswärtigen Amt bis zur Auslandsorganisation der NSDAP. Teil II (37-89) gibt einen breit angelegten Überblick über die Archive und Bibliotheken bis hin zu den Archiv-Inventaren, die derjenige konsultieren muss, der forschend an Archivalien herangehen will. Hier sind nicht nur die wichtigsten deutschen staatlichen und privaten Archive samt ihrer Anschrift aufgelistet; auch zentrale ausländische Archive und Bibliotheken haben Aufnahme gefunden, sofern sie für die Erforschung der deutschen Außenpolitik von großer Bedeutung sind.
Zentral und das Herzstück der Veröffentlichung ist dann mit Teil III (91-295) die Bibliographie, die unter 1136 Nummern samt knappen Annotationen Schneisen schlägt in die schier unerschöpfliche Literatur und die Quellenveröffentlichungen zur deutschen Außenpolitik der knapp drei behandelten Jahrzehnte. Sicher ist damit nicht alles aufgelistet, was seit den Ereignissen selbst erschienen ist (und wovon auch manches wissenschaftlich überholt sein dürfte). Da sich in den einzelnen Annotationen häufig aber auch noch ältere Monographien oder speziellere Aufsätze verbergen, werden wohl knapp 2000 Titel erläutert - und darunter, der Materie geschuldet, selbstverständlich zum Großteil Titel in deutscher Sprache. Das Hilfsmittel unterscheidet sich also wohltuend von vergleichbaren bibliographischen Projekten, die dem Benutzer nur noch die jeweilige Landessprache des Verlagsorts erschließen. Der gegenüber der Auflage von 1991 ganz neue Teil IV (297-307) zeigt, wie schnell sich auch die Forschungsumgebung des Zeithistorikers gewandelt hat: Hier werden Internet-Ressourcen vorgestellt, wenn auch eher knapp. Da aber entsprechende Nachweise bereits in Teil III geboten wurden (z.B. bei Hybrid-Editionen oder nachträglich digitalisierten Quellen), ist auch dieser Abschnitt für den Forscher durchaus ausreichend.
Nun ist es nicht allein mit der Feststellung getan, dass nur derjenige ansatzweise ermessen kann, welcher Arbeitsaufwand sich hinter der Publikation verbirgt, der selbst einmal ein ähnliches Projekt in Angriff genommen hat. Von Interesse ist vor allem, was der forschende Historiker - vom Studierenden, der eine Studienarbeit schreiben will, bis hin zum Spezialisten, der einer konkreten Frage aus der deutschen Außenpolitik der Weimarer Republik oder der NS-Zeit nachgeht - mit diesem Werk anfangen kann und was der "Mehrwert" gegenüber der letzten Auflage von 1991 ist. An zwei Beispielen sei dies erläutert.
Zum einen: Peter Krügers erste modernere Gesamtdarstellung zur Außenpolitik der Weimarer Republik, die vor allem auch die Konzeption Gustav Stresemanns neu einordnete, war wenige Jahre vor der letzten Auflage von 1991 erschienen; gelistet und annotiert war sie auch schon damals. Nun kann Kimmich die erneute Wandlung in der Betrachtung Stresemanns dokumentieren, die sich seit 1991, ausgehend von Krügers Interpretation, in etlichen Biographien, Monographien und Aufsätzen niedergeschlagen hat: Allein etwa zehn neuere Arbeiten zu Stresemann haben Aufnahme gefunden und werden knapp vorgestellt.
Zum anderen: 2010 erschien bekanntlich "Das Amt", die Studie über die Rolle des Auswärtigen Amtes in der NS-Zeit und der Nachkriegszeit. Kimmich führt es selbstverständlich auf und annotiert es kurz: "Provides a great deal of new information on the foreign ministry and on its personnel during the Nazi era. Has met with a rather critical reception" (214), und verweist auf einen anderen Titel im bibliographischen Teil: "see Hürter". Die nächste Titelaufnahme bezieht sich auf die älteren Studien von Döscher und Browning über das Auswärtige Amt, und in der Annotation heißt es: "Döscher and Browning anticipated many of the findings of Conze et al. [gemeint ist: "Das Amt"]" (214). Folgt man nun dem Verweis auf "Hürter", gelangt man zum Titel von dessen ausführlichem Rezensionsaufsatz in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte, und dazu schreibt Kimmich: "Provides a somewhat more nuanced view of the foreign ministry's role in the destruction of the Jews than that advanced by Conze et al., which he chastised for loose generalizations". (293). Gerade an letztgenanntem Beispiel wird der große Wert der Annotationen Kimmichs deutlich: Sie fällen keine drastischen oder gar unfairen Urteile, aber sie bringen Stärken und ggf. auch Schwächen von Arbeiten auf den Punkt.
Wer heute zu Fragen der Außenpolitik der Jahre zwischen 1918 und 1945 wissenschaftlich arbeiten will, wird kaum in der Lage sein, die im Grunde längst unüberschaubare Literatur mit den klassischen Hilfsmitteln, die man bis vor wenigen Jahren im Propädeutikum gelehrt bzw. gelernt hat, ab ovo zu bibliographieren. Er wird vielmehr gut daran tun, sich die immense Arbeit zunutze zu machen, die Christoph M. Kimmich für ihn bereits geleistet hat.
Wolfgang Elz