Lisa Skogh: Material Worlds. Queen Hedwig Eleonora as Collector and Patron of the Arts (= Bidrag till Kungl. vetenskapsakademiens historia; 44), Stockholm: The Center for the History of Science at the Royal Swedish Academy of Sciences 2013, 359 S., ISBN 978-91-7190-184-2
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In ihrer umfassenden Studie widmet sich Lisa Skogh der Kunstpatronage und der Sammeltätigkeit von Hedwig Eleonora von Schleswig-Holstein-Gottorf (1636-1715), Königin von Schweden, deren langjähriges Wirken am schwedischen Hof trotz ihrer umfangreichen Unternehmungen in Kunst und Kultur bislang unterbeleuchtet war. Als sechstes Kind von Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf (1597-1659) und Maria Elisabeth von Sachsen (1610-1684) war Hedwig Eleonora an dem herzoglichen Hof von Gottorf zur Welt gekommen und durfte miterleben, wie ihre beiden Eltern Wissenschaften, Kunst und Kultur zu einer regelrechten Blüte verhalfen. 1654 heiratete sie König Karl X. Gustav von Schweden (1622-1660), den Nachfolger und Cousin von Königin Christina von Schweden (1629-1689), die 1654 zu seinen Gunsten abgedankt hatte. Sechs Jahre später verstarb Karl X. und hinterließ seinen minderjährigen Sohn Karl XI. (1655-1697) unter der Mitregentschaft von Hedwig Eleonora. Nach dem Tod ihres Sohnes im Jahre 1697 regierte diese erneut für ihren Enkel Karl XII. (1682-1718). 55 Jahre lang, von 1660 bis 1715, war Hedwig Eleonora Königinwitwe und führendes Mitglied der königlichen Dynastie in Stockholm. Voraussetzung für ihre aufwendige Kulturpolitik waren die beträchtlichen finanziellen Mittel, über die sie verfügte: Ihre Witwenrente war die bedeutendste, die je eine Königinwitwe in Schweden innehatte. Auch wenn sie selten direkten Einfluss auf die Politik nahm, so muss ihre ungewöhnlich weitreichende Investition in Kunst und Kultur doch als Äußerung eines dynastischen Repräsentationswillens und somit auch als Machtausweis verstanden werden. Um diese These zu untermauern, untersucht Skogh die mobilen Kulturgüter, die Hedwig Eleonora bis zu ihrem Tod zu ihrem Privatbesitz zählte. Diese lassen sich in drei verschiedene Kategorien einordnen, die sich grob in der Gliederung des Buches niederschlagen: gemalte Porträts, Kunstobjekte und Bücher.
Ob großformatige Porträts auf Leinwand oder Miniaturen in Email oder aus Elfenbein, Hedwig Eleonora zeigte in ihren Schlössern eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Bildnissen, die Skogh treffend als Bestandteil eines visuellen Programms interpretiert, das dynastische Kontinuität und Vernetzung inszeniert. Insbesondere auf Schloss Gripsholm liegt mit der Herrschergalerie im Rikssalen und der Bilderansammlung im Grand Roundel (im zweiten Geschoss des Festigungsturmes) ein aussagekräftiger Fundus vor (74ff.). Einerseits griff Hedwig Eleonora auf das Vorbild der herrschaftlichen Ahnengalerie zurück, wobei in vielen ihrer Bildnisse auch die Frau an der Seite ihres herrschenden Gemahls in Erscheinung tritt. Andererseits vergegenwärtigte sie mit ihrer Porträtsammlung ihre verwandtschaftliche Vernetzung mit den anderen Fürstenhäusern. Skogh weist darauf hin, dass Hedwig Eleonoras Mutter, Herzogin Maria Elisabeth von Schleswig-Holstein-Gottorf, und auch ihre Großmutter, Kurfürstin Sybilla Magdalena von Sachsen, eine ebenso große Leidenschaft für Bildnisse hegten. Sicher ließe sich diese Tendenz ebenso bei anderen Fürstinnen nachweisen, denn allgemein spielten Fürstinnen in der Frühen Neuzeit eine wichtige Rolle bei der dynastischen Vernetzung europäischer Herrscherhäuser: Sie waren Trägerinnen politischer Allianzen und besiegelten durch ihre Nachkommenschaft die Vereinigung zweier Geschlechter in Fleisch und Blut. [1] Im Falle von Hedwig Eleonora kommt ein gesteigertes Bedürfnis nach dynastischer Legitimierung hinzu: Ihr Gemahl, König Karl X. Gustav, stammte aus dem Hause von Pfalz-Zweibrücken und war lediglich durch seine Mutter Catherine von Schweden, der Halbschwester von Gustav Adolf, mit der Dynastie der Vasa verbunden. Hedwig Eleonora war also die Mutter einer neuen Dynastie auf dem schwedischen Thron und ihre Porträtsammlung fungierte nicht nur als "visual map of highly powerful European kinship" (92), sie war auch Ausweis der Schlüsselstellung, die ihr als Fürstin in der Konstituierung dynastischer Allianzen und in der Legitimierung dynastischer Machtansprüche zukam.
Nicht nur Porträts lagen im Zentrum von Hedwig Eleonoras Interesse: Es lassen sich außergewöhnlich große Bestände an Pretiosen, Exotica, Mirabilia und Naturalia in ihrem Besitz nachweisen, die allgemein seit dem 16. Jahrhundert zu den Kerngebieten fürstlichen Sammeln zählten. In Schloss Ulriksdal hatte die Königinwitwe zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein Pretiosenkabinett eingerichtet, in dem sie Kunstwerke aus Bernstein, Elfenbein, Halbedelstein, Perlmutt, Porzellan etc. ausstellte. Diese Exponate zeichneten sich durch ihren künstlerischen genauso wie finanziellen Wert aus, womit sie per se als Mittel fürstlicher Repräsentation galten. Aber auch ihre Herkunft zeichnete sie als Objektivierung der repraesentatio majestatis aus: Einige prominente Kunstwerke waren während des Dreißigjährigen Krieges als Trophäen aus der Prager und Münchener Kunstkammer nach Stockholm gekommen und vergegenwärtigten mit ihrer Neuinszenierung in Hedwig Eleonoras konstkabinett nicht nur die Errungenschaften der Vasa-Dynastie, sondern auch ihrer Kontinuität mit dem neuen Herrscherhaus. Andere Kunstwerke hatte Hedwig Eleonora wiederum aus dem Besitz ihrer Mutter zurückerworben und übernahm damit Sammeltraditionen aus Gottorf und aus Dresden. Das exklusive Pretiosenkabinett, das vermutlich zum Verband ihrer Gemächer gehörte, dürfte aufgrund seiner repräsentativen Funktion für eine ausgewählte höfische Öffentlichkeit zugänglich gewesen sein; zumindest wissen wir durch zwei zeitgenössische Reiseberichte, dass es besichtigt werden konnte (158f.).
Weitere Kunstwerke im Besitz der "Landesmutter" zeugten von ihrer Auseinandersetzung mit einheimischen Erkundungsgebieten: Das ausgeprägte Interesse für die Ressourcen des Landes, ob Obst- oder Perlenzucht, minerale Quellen oder Erzvorkommen, war durch die frühneuzeitliche Auffassung bedingt, es sei Aufgabe des Fürsten, sich die "nützlichen Wunder" (178ff.) der Natur und insbesondere des eigenen Territoriums zu erschließen, um den wirtschaftlichen Erfolg und das Wohlergehen des Landes zu sichern. [2] Entsprechend fanden sich in den Sammlungen Hedwig Eleonoras nicht nur Porträts von Melonen oder Brunnenwärtern, sondern auch Handsteine, d.h. künstliche Berge aus zusammengefügten Erzen und figürlichen Darstellungen, die insbesondere im Sachsen des 16. und 17. Jahrhunderts als Kunstkammerobjekte beliebt waren. Dabei nahmen die Handsteine der Königinwitwe nicht nur Bezug auf ihre sächsische Herkunft, sondern auch auf ihr Leibgeding und eigenes Herrschaftsgebiet, zu dem die ertragreichen Kupferminen von Dalarna und Bergslagen gehörten.
Sowohl an den Kunstobjekten im Besitz der Königinwitwe als auch an ihrer Büchersammlung zeigt sich: Hedwig Eleonora war zwar bedacht, die Kulturpolitik ihrer Vorgänger auf dem schwedischen Thron fortzusetzen, doch zugleich war sie, die als deutsche Prinzessin geboren war, eine Hauptprotagonistin im zwischenhöfischen Kulturtransfer [3] und tradierte am schwedischen Hof kulturelle Muster, die sie aus Gottorf und indirekt durch ihre Mutter aus Sachsen erlernt hatte. Skogh demonstriert überzeugend, dass die Sammlungen Hedwig Eleonoras als Objektivierung ihrer dynastischen und machtpolitischen Bestrebungen gedeutet werden müssen und dass sie allgemein den Sonderstatus der Fürstin am Hof widerspiegeln. Damit liefert die Autorin wegweisende Forschungsergebnisse, die nicht nur die Kulturpolitik der schwedischen Königinwitwe in ein neues Licht rücken, sondern auch allgemein auf die Bedeutung von Fürstinnen als Trägerinnen des zwischenhöfischen Kulturtransfers und als Schlüsselfiguren dynastischer Machtsicherung hindeuten. Man kann sich nur wünschen, dass Skoghs Studien in der Hofforschung bald rezipiert werden und dass daraus neue Impulse zur Erforschung der frühneuzeitlichen Fürstin erwachsen.
Anmerkungen:
[1] Ute Essegern: Fürstinnen am kursächsischen Hof. Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Hedwig von Dänemark, Sibylla Elisabeth von Württemberg und Magdalena Sibylla von Preußen, Leipzig 2007, 96.
[2] Dieser Topos findet sich bereits in den Kunst- und Wunderkammern der Renaissance, die nicht selten große Mengen an wissenschaftlichen Objekten und Werkzeugen beherbergen, die symbolisch auf den Fürst als Bezwinger der Natur und Gestalter der Gesellschaft hinweisen, siehe Bruce Moran: German Prince-Practitioners: Aspects in the Development of Courtly Science, Technology, and Procedures in the Renaissance, in: Technology and Culture 22 (1981), 253-274.
[3] Zur Fürstin als Trägerin des Kulturtransfers siehe bereits Essegern 2007, 94.
Virginie Spenlé