Kate Chedgzoy: Women's Writing in the British Atlantic World. Memory, Place and History, 1550-1700, Cambridge: Cambridge University Press 2012, VIII + 267 S., ISBN 978-1-107-40591-2, GBP 23,00
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Mit Women's Writing in the British Atlantic World: Memory, Place and History, 1550-1700 hat Kate Chedgzoy ein Buch vorgelegt, welches sich gleichermaßen mit vormoderner Schriftlichkeit und Erinnerungskultur, dem Leben von Frauen in der Frühen Neuzeit und ihren Reaktionen auf die politischen Zeitumstände beschäftigt. Dieses 2007 erschienene Buch der Professorin für Renaissance-Literatur an der Newcastle University reiht sich damit in ihre Genderstudien zur englischen Literaturgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts ein.
Chedgzoy betrachtet schriftliche Erzeugnisse von Frauen, die in England, Schottland, Wales, Irland und den englischen Kolonien lebten. Die Art der verwendeten Quellen reicht von Briefen über Notizbücher und biografische Berichte bis hin zu verschiedenen Formen von Poesie und literarischen Werken. Die schreibenden Frauen entstammten allen Gesellschaftsschichten, von der walisischen Dienstmagd in London bis zur adeligen Matriachin mit hochherrschaftlichen Landsitzen. Leider erläutert die Autorin nicht, anhand welcher Kriterien sie die Quellen ausgewählt hat. Grundsätzlich zeigt sie jedoch, dass viele, erst in den letzten Jahrzehnten entdeckte schriftliche Erzeugnisse von Frauen entweder in lokalen Archiven zu finden sind (124) oder bisher schlicht als "Anon", also anonym, gekennzeichnet und damit nicht als weibliche Zeugnisse ihrer Zeit erkannt wurden (65).
Im Titel wie in der Einleitung verortet Chedgzoy die von ihr untersuchten Frauen in einer atlantischen Welt, denn "these women shared a common cultural world and frame of reference - despite the many differences in the ways in which they inhabited it." (7) Aber gerade diese unterschiedlichen Lebenswelten machen es aus historischer Sicht schwierig, Ähnlichkeiten, Parallelen bzw. Gemeinsamkeiten von gälischen Poetinnen aus Irland und Schottland, englischen Adeligen und puritanischen Siedlerinnen in Nordamerika zu erkennen. Außen vor bleiben in diesem Band überdies französisch- oder spanischsprachige Angehörige dieser "atlantischen" Welt. Grundsätzlich handelt es sich bei den vorgestellten Frauen um solche, die aus dem englischsprachigen Kulturraum stammten oder - in Wales, Schottland und Irland - von diesem beeinflusst wurden.
Weiterhin ordnet die Autorin ihre Analysen, die sie anhand von Fallstudien präsentiert, in den Kontext der Forschung zu Erinnerungsorten ein. Frauen hätten einen besonderen Platz in der Erinnerungskultur, da sie innerhalb der Familien, aber auch ihrer lokalen oder nationalen Gemeinschaften Erinnerungen tradiert und in verschiedenen Formen an die nächsten Generationen weitergegeben hätten.
Dies wird im ersten Kapitel zunächst ausgeführt anhand von Lady Anne Clifford, die ihre vielen Landsitze und Häuser zur Memorierung von Daten und Ereignissen nutzte, indem sie Verse und Sätze als Dekoration benutzen ließ. Anhand häuslicher Tätigkeiten, die zu einem großen Teil auf der Erinnerungsleistung von Frauen beruhten, zeigt die Autorin die Wichtigkeit von geschlechtsspezifischer Erinnerungskultur für die Geschichte der Frühen Neuzeit auf. Exemplarisch dafür stehen Notizbücher, in denen vormoderne Frauen Bibelverse, Psalme und religiöse Sprüche, eigene Gedichte, Medizin- und Kochrezepte, Jahresabläufe im Haushalt, Ereignisse aus dem politischen Kontext und die Daten der familiären Geschichte - Geburten, Taufen, Todestage - miteinander verknüpften. Diese auch "commonplace books" (35) genannten selbstgeschriebenen Bücher - Kollektaneenbücher - wurden als Erbstücke in der Familie weitergegeben (45-46).
Im Gegensatz zur Schriftlichkeit, auf der die Untersuchung beruht, steht die orale Erinnerungskultur, mit der sich die Autorin im zweiten Kapitel beschäftigt. Anhand von Beispielen aus der gälischen Kultur Irlands und Schottlands kann sie zeigen, dass viele der bekannten Schriftstellerinnen und Poetinnen aus Familien stammten, die dem männlichen Bardentum zuzuordnen sind (55). Die Zeugnisse belegen aber, dass es eine parallele weibliche mündliche Überlieferung gab, die "old wives' tales" (56-57). Von Frauen gesungene Lieder, die die häusliche Arbeit begleiteten, waren Teil der Erziehung der kleinen Kinder, egal ob Jungen oder Mädchen. Schriftliche und mündliche Kultur ergänzten sich also im betrachteten Zeitraum.
In den anderen drei Kapiteln werden schriftliche Zeugnisse von Frauen anhand von drei thematischen Zugängen betrachtet. Zunächst handelt es sich um die Veränderungen, die sich aus der politischen Vereinigung der britischen Inseln im 16. und 17. Jahrhundert für Irland, Schottland und Wales ergaben. Frauen wurden einerseits selbst Schriftstellerinnen und Dichterinnen, die professionell davon lebten. Andererseits machten sie mit ihren Veröffentlichungen politische Aussagen über die entstehende Union der britischen Inseln. Historisch interessanter noch ist aber das Fallbeispiel der walisischen Dienerin: sie arbeitete in London und schrieb englische Briefe an ihren Patron nach Wales, die eine orale walisische Sprechtradition vermuten lassen. Das vierte Kapitel beschreibt Beispiele schriftlicher Verarbeitungen des englischen Bürgerkriegs, die - entgegen ihrer scheinbar rein biografischen Textform - eindeutig politisch motiviert waren. Im letzten Kapitel wechselt Chedgzoy auf die andere Seite des Atlantiks und bringt zwei Beispiele, den autobiografischen Bericht einer Puritanerin, die ihre Entführung durch Indianer verarbeitete, sowie eine fiktionale Erzählung über Sklaverei.
Leider hat der Herausgeber sich für Endnoten entschieden, was es dem Leser erschwert, die teilweise notwendigen Anmerkungen mit dem Text in Zusammenhang zu setzen. Eine Bibliografie und ein umfassender Index vervollständigen das Buch.
Insgesamt handelt es sich um faszinierende Einblicke in die Quellen zur Veränderung der Lebenssituation von Frauen in vorwiegend Englisch bzw. Britisch geprägten Gebieten der sogenannten Atlantischen Welt. Allerdings erschweren Schreibweise und Strukturierung einen rein historischen Zugang. Das Buch ist eine literaturwissenschaftliche, keine historiografische Studie. Die Fallstudien bieten aber auch für Historiker interessante Hintergründe und zeigen, etwa anhand der Kollektaneen und ihren Hintergründen oder einzelnen Briefsammlungen, neue Zugänge für die Gendergeschichte.
Charlotte Backerra