Hermann Wellenreuther: Heinrich Melchior Mühlenberg und die deutschen Lutheraner in Nordamerika, 1742-1787. Wissenstransfer und Wandel eines atlantischen zu einem amerikanischen Netzwerk (= Atlantic Cultural Studies; Vol. 10), Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2013, X + 710 S., ISBN 978-3-643-12358-9, EUR 99,90
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Eine Biographie, München: C.H.Beck 2012
Ulrich Köpf: Martin Luther. Der Reformator und sein Werk, Stuttgart: Reclam 2015
Andreas J. Beck (Hg.): Melanchthon und die Reformierte Tradition, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2016
Hermann Wellenreuther / Thomas Müller-Bahlke / A. Gregg Roeber (eds.): The Transatlantic World of Heinrich Melchior Mühlenberg in the Eighteenth Century, Wiesbaden: Harrassowitz 2013
Lothar Graf zu Dohna / Richard Wetzel: Staupitz, theologischer Lehrer Luthers. Neue Quellen - bleibende Erkenntnisse, Tübingen: Mohr Siebeck 2018
Ursula Lehmkuhl / Hermann Wellenreuther (eds.): Historians and Nature. Comparative Approaches to Environmental History, Oxford: Berg Publishers 2007
Mark Häberlein / Thomas Müller-Bahlke / Hermann Wellenreuther (Hgg.): Hallesche Pastoren in Pennsylvania, 1743-1825. Eine kritische Quellenedition zu ihrer Amtstätigkeit in Nordamerika. Band 1: Diarien und Lebensläufe, Wiesbaden: Harrassowitz 2019
Hermann Wellenreuther (ed.): The Revolution of the People. Thoughts and Documents on the Revolutionary Process in North America, 1774-1776, Göttingen: Universitätsverlag Göttingen 2006
Auf 710 Seiten wird das Leben des lutherischen Geistlichen Heinrich Mühlenberg erörtert, der nach dem Schulbesuch in dem Städtchen Einbeck besonders in Göttingen und Halle eine dezidiert konfessionell-lutherische Prägung erhielt, die ihn sein Leben lang kennzeichnete.
Vom Direktor der Franckeschen Stiftungen 1742 nach Amerika entsandt, entwickelte Mühlenberg hauptsächlich über Briefe eine rege Kommunikation mit deutschen und amerikanischen Akteuren. Von 1742 bis etwa 1765 kamen die maßgeblichen Impulse aus Deutschland. Wellenreuther spricht hier von einem atlantischen Netzwerk. Zugleich waren auch lutherische Geistliche in Nordamerika Mühlenbergs Korrespondenzpartner. Es schloss sich seit etwa 1765 ein Wandel an, der vereinfacht als Wegbrechen des atlantischen und Weiterexistieren des amerikanischen Netzwerks beschrieben werden kann, welches seinerseits seit Anfang der 1770er Jahre immer weniger Akteure einband.
Wellenreuthers Studie wird durch drei Interessensperspektiven geprägt. Mühlenberg etablierte zum einen eine lutherisch rückgebundene neue koloniale Kultur. Entscheidend hierfür war des Weiteren der Wissenstransfer insbesondere Hallescher Vorstellungen und Glaubensüberzeugungen und schließlich die Schaffung und Vergewisserung sozialer Beziehungen in einem Netzwerk, welches sich bei der Einflussnahme auf Kirchengemeinden und Vermittlung bei Konflikten bewährte.
Mühlenberg agierte im Netzwerk teilweise als Makler, teilweise als zentraler Akteur. Er vergaß selten bei der Kommunikation fremder Interessen auch ganz eigene Interessen zu sichern. Indem Hermann Wellenreuther konzentriert die Netzwerkarbeit seines Protagonisten als dessen Erfolgsprinzip identifiziert und belegt, entspricht er eigentlich nur dem, was Mühlenberg ausmachte. Die Tiefe und der Umfang der Publikation geben Wellenreuther die Freiheit zu freimütigen Bewertungen. So wird Mühlenberg etwa als "schlechter Prediger", der es nicht verstand "komplexe theologische Materien zu durchdringen" (90) qualifiziert.
Zwar lässt sich keine Flut von Veröffentlichungen zu diesem Themenkomplex ausmachen, allerdings erfreut sich die Erforschung der Geschichte deutsch-amerikanischer evangelischer kirchlicher Beziehungen wachsendem Interesse in der Forschung. Nicht zuletzt hat der mittlerweile emeritierte Amerikahistoriker Hermann Wellenreuther als Herausgeber und Autor eine ganze Reihe von einschlägigen Forschungen publiziert.
Neben der konfessionellen Bindung war "das Problem des Wissenstransfers" (V) Mühlenbergs eigentliches Lebensthema. Dass er den Wissenstransfer meisterhaft beherrschte und er das konfessionelle Luthertum in dem Bundesstaat der USA Pennsylvania und weit darüber hinaus etablierte, dass er fast in einer Art kirchlicher Parallele zur traditionsvergewissernden Funktion der Pilgrimväter der Mayflower seit dem 19. Jahrhundert als der entscheidende Impulsgeber für die Etablierung des Luthertums in den USA galt und gilt, rechtfertigt, dass Wellenreuther mit dieser Publikation erstmals eine umfangreiche, wissenschaftliche Biografie Mühlenbergs vorgelegt hat.
Carsten Linden