Rezension über:

Gerlinde Huber-Rebenich / Sabine Lütkemeyer / Hermann Walter: Ikonographisches Repertorium zu den Metamorphosen des Ovid. Die textbegleitende Druckgraphik. Bd. 1.1: Narrative Darstellungen, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2014, 2 Bd., 406 S., 563 s/w-Abb., ISBN 978-3-7861-2648-5, EUR 79,00
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Rezension von:
Ekaterini Kepetzis
Kunsthistorisches Institut, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Ekaterini Kepetzis: Rezension von: Gerlinde Huber-Rebenich / Sabine Lütkemeyer / Hermann Walter: Ikonographisches Repertorium zu den Metamorphosen des Ovid. Die textbegleitende Druckgraphik. Bd. 1.1: Narrative Darstellungen, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 12 [15.12.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/12/20706.html


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Gerlinde Huber-Rebenich / Sabine Lütkemeyer / Hermann Walter: Ikonographisches Repertorium zu den Metamorphosen des Ovid

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Zehn Jahre ist es her, dass im Gebr. Mann Verlag der Band zu den "Sammelbildern" der Metamorphosen des Ovid erschienen ist, einem Typus also, welcher in frühneuzeitlichen illustrierten Ausgaben den einzelnen Büchern des antiken Werkes die wichtigsten Episoden des jeweils folgenden Abschnitts in Form einer visuellen Inhaltsangabe einleitend voranstellte. In der endgültigen Zählung der Reihe, dem Ikonografischen Repertorium zu den Metamorphosen des Ovid, trägt jener Band die Zahl zwei. Mit dem hier angezeigten Werk legt das mit ausgewiesenen Ovidexperten prominent besetzte Herausgeberteam nunmehr den eigentlich ersten, ebenfalls in zwei Bänden publizierten Teil vor.

In den Blick genommen werden dabei Illustrationsserien, welche stil- und motivbildend die Darstellungen der folgenden Jahrhunderte beeinflussten. Ausgewählt haben die Autoren hier die Bible des poëtes des Colard Mansion (Brügge 1484), die venezianische Ausgabe der Metamorphoseos vulgare (1497) sowie die in Mainz verlegte Edition des Georg Wickram von 1545. Ziel ist, dabei - wie bereits in den frühen Arbeiten Max Dietmar Henkels [1] - Kontinuität und Wandel einzelner Motive und so kontextuelle Abhängigkeiten offenzulegen. Jedoch liegt das besondere Augenmerk der philologisch orientierten Herausgeber in der Beziehung von Bild und Text, weniger in einer stilkritischen und künstlerischen Beurteilung der Bilder (9). Sehr verdienstvoll ist die wohl diesem Interesse geschuldete Zusammenstellung von "Stammbäumen" der verschiedenen Ausgaben, deren Nach- und Wiederverwendung ebenso berücksichtigt werden, wie sogenannte "Derivatserien". Diese definieren die Autoren als Zyklen, "die ihre Verhaftung in der Tradition zu erkennen geben, aber deutlich eigene Akzente setzen" (12).

In den Blick genommen werden sogenannte "narrative" Darstellungen, Bilder also bei denen "innerhalb desselben Rahmens mehrere Szenen eines Handlungszusammenhangs unter Wiederholung einzelner Figuren zu einer Bilderzählung zusammengesetzt" werden (10). Kurz: Simultanbilder. Monoszenische, "moderne" Narrative bleiben demzufolge unberücksichtigt und demnach auch der kunsthistorisch neben der 1497er-Ausgabe sicher bedeutendste Ovid-Zyklus, der mit Schnitten Bernard Salomons versehene Ovid figurée (Lyon 1557).

Im ersten Band erfolgt auf knapp 100 Seiten eine Analyse der drei in den Blick genommenen Serien und der von ihnen abhängigen Zyklen. Den Löwenanteil mit knapp 60 Seiten macht hier die Betrachtung der zuerst 1497 bei Giunta in Venedig erschienenen Folge zum Ovidio metamorphoseos vulgare des Giovanni dei Bonsignori und ihrer Holzschnitte aus. Hinzugezogen werden dabei die z.T. unter Verwendung der Originalstöcke edierten Ausgaben des Raphael Regius (Venedig 1513), des Lorenzo Spirito Gualtieri (Perugia 1519), Niccolò degli Agostini und schließlich der wirkmächtige Zyklus zu den Transformationi des Lodovico Dolce (Venedig 1553). Demgegenüber wird auf nur fünf Seiten der Wickram'sche Zyklus nach Albrecht von Halberstadt dargestellt, dessen Popularität in der (deutschsprachigen) Forschung - wie die Autoren einräumen - "in keinem Verhältnis zu ihrem Einfluss auf die nachfolgende Ovidillustrierung steht" (95). Für diese ist sie nämlich im Grunde bedeutungslos. So erscheint eine im Hinblick auf Bild-Text-Relation zweifelsohne sehr interessante Ausgabe dann doch übermäßig prominent präsentiert.

Jeder Besprechung ist katalogartig eine Liste von dieser Edition jeweils abhängiger Ausgaben angefügt, aus denen sich dann die eingangs erwähnten "Stammbäume" ablesen lassen. Hier sind jeweils ganze Zyklen von Illustrationen erfasst und Verschiebungen gekennzeichnet.

Den größten Teil des Bandes beansprucht der Katalog. Geordnet nach den Büchern der Metamorphosen, liegt der Fokus hier auf Einzelbildern und ikonografischen Details. Die unterschiedlichen Ausgaben sind grau hinterlegt, die illustrierten Szenen genannt, Korrespondenzen mit Erläuterungen des Haupttextes sowie weitere Ausgaben sind durch Verweise kenntlich gemacht, Technik und Größe der Bilder vermerkt. Dieser Teil präsentiert sich als umfassend zusammengestelltes Nachschlageinstrumentarium, das einen konzisen Überblick über die im betrachteten Zeitraum zirkulierenden Motive und Episoden illustrierter Metamorphosen bietet. In der Kopfzeile werden (hier wie im Katalogband) Kürzel und das jeweils dargestellte Buch der Metamorphosen zur besseren Orientierung vermerkt.

Dies wird ergänzt durch die umfassenden Anhänge: Bibliographie der Primärtexte (185-202), chronologisch geordnet und mit dem entsprechenden, im Katalog und Bildteil genutzten Kürzel gekennzeichnet; Verzeichnisse der Druckorte, Drucker / Verleger sowie auch Künstlernamen und Monogrammisten (203f.) und natürlich ein umfangreiches Verzeichnis der mythologischen Namen (205-209), z.T. mit Kurzkennzeichnung der Figur ("Atalanta = Teilnehmerin an der calydonischen Eberjagd", 205). Eine knappe Auswahlliteratur schließt diesen Band (210-13).

Der zweite Band wartet mit dem ergänzenden Bildteil auf, wiederum sortiert nach den Büchern der Metamorphosen in klarer Korrespondenz zum Katalog, was die Benutzung des Werkes deutlich komfortabler macht. Die den betrachteten Ausgaben entnommenen Darstellungen (und dies meint ausschließlich die Holzschnitte selbst, auf Reproduktionen ganzer Seiten wird verzichtet) zum selben Thema finden sich häufig auf einer einzelnen oder zwei Seiten in entsprechend kleinem Format, jedoch in akzeptabler Druckqualität. Durch die hier erstmals in dieser Breite erfolgende Zusammenschau sind umfassende stilistische Vergleiche wie Untersuchungen der visuellen Narration möglich, Zusammenhänge werden unmittelbar einsichtig. Reproduziert werden dabei "Bildarchetypen", die prägenden Beispiele einer ikonografischen Traditionslinie, während auf eventuelle Wiederverwendungen jeweils verwiesen wird.

In ihrer Vorbemerkung sprechen die drei Autoren die der Dauer und Geschichte des Vorhabens geschuldete, grundsätzliche Problematik ihres Projektes an. "Wir haben uns bemüht, die Einschränkungen der Recherchemöglichkeiten, welche elektronische Medien bieten, durch ein umfassendes Verweissystem zu kompensieren (I, 7)". Tatsächlich ist ihnen dies gelungen und das Geleistete verdient Respekt. Dennoch bleibt ein merkwürdiger Nachgeschmack, gerade für den Kunsthistoriker: Die eigentlich ikonografisch-ikonologische Einordnung der Bilder und Zyklen wird angerissen, reicht aber an vielen Punkten kaum an Henkels Expertise heran, auch ist der Betrachtungszeitraum sehr eng gewählt. Und im Zeitalter täglich zunehmender digitaler Faksimiles folgt dem Blick in die Publikation sicherlich die Konsultation der online-Reproduktion. Hier wird - wie eben vor und mit den Originalen - auch die Auseinandersetzung mit Fragen von Layout, Positionierung, Rhythmisierung der Bilder im Text möglich.

Das hier angezeigte, verdienstvolle Werk kann dennoch als Anstoß tieferer Auseinandersetzungen dienen, und eine Richtschnur geben, welche Ovid-Ausgaben bzw. Einzelbilder eine nähere Untersuchung lohnenswert erscheinen lassen.


Anmerkung:

[1] Max Dietmar Henkel: De Houtsneden van Mansion's 'Ovide moralisé', Bruges 1884, Amsterdam 1922; ders.: Illustrierte Ausgaben von Ovids Metamorphosen im 15., 16. und 17. Jahrhundert, in: Vorträge der Bibliothek Warburg 1926-1927, Berlin / Leipzig 1930, 58-11.

Ekaterini Kepetzis