Marina Caffiero: Storia degli ebrei nell'Italia moderna. Dal Rinascimento alla Restaurazione, Roma: Carocci editore 2014, 254 S., ISBN 978-88-430-7412-9, EUR 19,00
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Christa Hämmerle / Oswald Überegger / Birgitta Bader-Zaar (eds.): Gender and the First World War, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2014
Die italienisch-jüdische Geschichte hat im europäischen Vergleich relativ spät stärkeres Forschungsinteresse auf sich gezogen, rückt jedoch seit einigen Jahren zunehmend ins Zentrum der Historiographie. Neben wegweisenden Werken in italienischer Sprache sind in den letzten fünfzehn Jahren auch einige englischsprachige, vor allem kulturgeschichtliche Studien erschienen, die die wechselvolle Geschichte der kleinen italienisch-jüdischen Minderheit zwischen Exklusion und Integration, friedlicher Koexistenz und Diskriminierung behandeln. [1] An Stelle der Polarisierung von Ghetto-Segregation und Integration ist dabei eine nuancierte Perspektive getreten, in der die charakteristischen Ambivalenzen des jüdischen Akkulturationsprozesses in Italien sichtbar werden: die kreative Aufnahme und Weiterentwicklung von Elementen und Bewegungen der nicht-jüdischen Mehrheitskultur bei gleichzeitiger Bewahrung einer partikulären jüdischen Identität.
Marina Caffieros Studie spiegelt diese Forschungstendenz wider. Die an der römischen Universität "La Sapienza" lehrende Historikerin widmet sich der Geschichte der italienischen Juden zwischen dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts und dem Jahr 1825, das sie als die "antijüdische Wende" der Restauration bezeichnet (209). Für ihre Analyse formuliert die Autorin zwei Prämissen: Erstens die Berücksichtigung des europäischen bzw. globalen jüdischen Zusammenhangs, die aufgrund der ausgeprägten Verflechtungen des italienischen Judentums mit den jüdischen Gemeinschaften anderer Länder unverzichtbar ist; zweitens die Beachtung der vielfältigen Wechselbeziehungen des italienischen Judentums mit dem nichtjüdischen Kontext. Ihre Untersuchung orientiert sich an der These, nach der ein kontinuierliches "Oszillieren" zwischen Fremdheit und Vertrautheit die Relationen zwischen italienisch-jüdischer und nichtjüdischer italienischer Gesellschaft und Kultur charakterisierten (12).
Die Darstellung basiert zum größten Teil auf der neueren Sekundärliteratur in italienischer, weniger in englischer Sprache, sowie einer überschaubaren Auswahl gedruckter italienischer Quellen, darunter Tagebücher, Briefe und Traktate jüdischer Autoren und Autorinnen v.a. des 17. und 18. Jahrhunderts. Archivalische Quellen wurden für diese Publikation nicht ausgewertet.
Die weitgehend chronologisch aufgebaute Studie gliedert sich in drei große Kapitel. Nach einer knappen Einleitung skizziert Caffiero im ersten Abschnitt die demographische Entwicklung und Topographie italienisch-jüdischer networks im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Das anschließende Unterkapitel zu "Frauen in der Geschichte der italienischen Juden" geht auf die zentrale Rolle von Frauen für die Vernetzungen jüdischer Familien und die Kontinuität religiöser Familienintegrität ein. Aufschlussreich sind Caffieros Ausführungen zu sephardischer und aschkenasischer Tradition, die das Heiratsverhalten italienischer Juden je nach familiärer Herkunft unterschiedlich beeinflussten. Die sich gegenseitig bedingenden Entwicklungen von Geschlechterrollen werden in den inhaltlich losgelöst wirkenden "frauengeschichtlichen" Ausführungen nicht problematisiert. Der letzte Abschnitt des ersten Teils bietet einen Überblick über die sozialen und kulturellen Auswirkungen der massiven Einwanderungswelle sephardischer Juden in Italien seit den Vertreibungen aus Spanien im Jahr 1492.
Der zweite Teil richtet den Fokus auf die Entstehung der italienischen Ghettos - ein Prozess, der mit der Segregation der Juden in Venedig 1516 einsetzte und zu Beginn des 17. Jahrhunderts, dem "Jahrhundert der Ghettos" (109) seinen Höhepunkt erreichte. Die Verfasserin erläutert die gewaltsamen Momente der Exklusion, von kirchlicher Seite aufgenötigte Konversionen und Zwangstaufen insbesondere jüdischer Frauen und Kinder, betont aber gleichzeitig die ungebrochene, lebendige Interaktion von Minderheits- und Mehrheitsgesellschaft. Zudem weist sie darauf hin, dass die Ghetto-Segregation im italienischen Kontext zur "Bewahrung einer Kultur, Sprache und Identität führte, die innerhalb verschiedener Schattierungen im Wesentlichen doch stets erhalten blieb" (105).
Im Mittelpunkt des dritten und letzten Teils stehen das 18. und beginnende 19. Jahrhundert, das "Zeitalter der Emanzipation und Assimilation" (165). Caffiero hebt die Widersprüche zeitgenössischer aufklärerischer Debatten hervor, die mit der Anerkennung jüdischer Gleichberechtigung keineswegs das Recht auf Verschiedenheit verknüpften. Zudem räumt die Autorin mit dem Stereotyp einer der jüdischen Emanzipation in toto zustimmenden laizistischen Kultur auf, auch mit dem Hinweis auf zeitgenössische antijüdische Positionen französischer Aufklärer wie Voltaire. Mit der "antijüdischen Wende" der Restauration schließt die Darstellung. Caffiero erläutert die engen Zusammenhänge zwischen den Feiern zum Anno santo 1825 und einer erneut zunehmend restriktiven katholischen Politik gegenüber den Juden. Bezeichnenderweise begann Papst Leo XII. im selben Jahr mit den Planungen zur Errichtung eines neuen Ghettos in Rom. "Antijudaismus war eines der vielen Gesichter der konfliktreichen Beziehung der Kirche mit der modernen Welt, wie sie aus der Revolution hervorgegangen war." (210)
Caffieros knappe Schlussfolgerungen knüpfen direkt an diese Überlegungen an. Sie argumentiert, dass der im Gefolge der Französischen Revolution auch in Italien intensivierte Emanzipationsdiskurs letztlich zur Neuakzentuierung eines katholischen Antijudaismus mit teilweise biologistischen Zügen geführt habe. Die Autorin wendet sich gegen eine klare Unterscheidung zwischen religiösem Antijudaismus und säkularem Antisemitismus und hebt stattdessen die Kontinuitäten und Zusammenhänge der beiden Phänomene gerade in der Übergangsphase von Früher Neuzeit zur Moderne hervor. In Anlehnung an David Kertzer und Giovanni Miccoli sieht die Autorin im katholischen Antijudaismus die Wurzeln des modernen rassischen Antisemitismus in Italien wie in Europa generell.
Caffieros Studie bietet einen gut strukturierten, flüssig geschriebenen Überblick zur italienisch-jüdischen Geschichte zwischen Renaissance und Restauration. Der eingangs formulierte Anspruch einer Betrachtung der italienisch-jüdischen Geschichte im europäischen Kontext wird jedoch nur ansatzweise erfüllt. Auch bleiben die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche innerhalb des mehr als dreihundert Jahre umspannenden Untersuchungszeitraums weitgehend im Hintergrund. Dafür gelingt es der Verfasserin, die vielfältigen kulturellen Wechselbeziehungen, v.a. die intellektuellen Verbindungen zwischen jüdischer Minderheit und italienischer Mehrheitsgesellschaft, überzeugend herauszustellen. Die Untersuchung verdeutlicht so die generelle Relevanz eines Ansatzes, in dem die Geschichte der italienischen Juden als integraler Bestandteil der italienischen Geschichte verstanden wird.
Anmerkung:
[1] Vgl. u.a. Stanislao Pugliese (ed.): The Most Ancient of Minorities. The Jews of Italy, Westport 2002; David N. Myers u.a. (eds.): Acculturation and its Discontents. The Italian Jewish Experience Between Exclusion and Inclusion, Toronto 2008.
Ruth Nattermann