Rezension über:

Bart Lambert / Katherine Anne Wilson (eds.): Europes Rich Fabric. The Consumption, Commercialisation and Production of Luxury Textils in Italy, the Low Countries and Neighbouring Territories ( Fourteenth-Sixteenth Century), Aldershot: Ashgate 2016, XVI + 249 S., ISBN 978-1-4094-4442-8, GBP 95,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Barbara Karl
Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst, Wien
Redaktionelle Betreuung:
Julia A. Schmidt-Funke
Empfohlene Zitierweise:
Barbara Karl: Rezension von: Bart Lambert / Katherine Anne Wilson (eds.): Europes Rich Fabric. The Consumption, Commercialisation and Production of Luxury Textils in Italy, the Low Countries and Neighbouring Territories ( Fourteenth-Sixteenth Century), Aldershot: Ashgate 2016, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 12 [15.12.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/12/28101.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Andere Journale:

Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.

Bart Lambert / Katherine Anne Wilson (eds.): Europes Rich Fabric

Textgröße: A A A

Textile Produkte gehörten neben Edelmetallen und Nahrungsmitteln zu den wichtigsten Wirtschafts- und Handelsgütern vor der Entwicklung der Schwerindustrie im 19. Jahrhundert. Es waren vor allem Luxustextilien, die weithin gehandelt wurden und die aufgrund ihres hohen Wertes zahlreiche Spuren in den Dokumenten des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit hinterließen. Das Buch ist Ergebnis mehrerer Konferenzen und Diskussionen, die zwischen 2010 und 2011 an illustren Orten wie dem European University Institute, der Ghent University oder der University of St. Andrews stattfanden. Es richtet sein Augenmerk speziell auf die Luxusproduktionen der damals wichtigsten Zentren in den Niederlanden und Italien; in Materialien ausgedrückt auf high end Produkte in Wolle und Seide.

In einem einführenden Beitrag diskutieren die Herausgeber Bart Lambert und Katherine Anne Wilson den vielschichtigen Begriff des Luxus mit seinen positiven und negativen Konnotationen und verweisen auf seine Bedeutungsentwicklung zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert. Zugleich ist es ihnen wichtig zu erwähnen, dass dieser Begriff nicht direkt in Zusammenhang mit Textilien gebraucht wurde, sondern diese eher als rar oder wertvoll etc. bezeichnet wurden (3, 4). Schon an dieser Stelle wäre es nützlich gewesen, auf die Luxusgesetze und Kleiderordnungen einzugehen, die sichtbare Struktur bringen sollten und die ein Parallelphänomen zum sich intensivierenden Handel darstellten.

Die Herausgeber erläutern und verteidigen einleitend auch die Einteilung des interdisziplinär angelegten Buches. Dies erscheint nötig, weil die Ordnung der Beiträge das Pferd von hinten aufzäumt, indem sie von der consumption über commercialisation zurück zur production führt, in diesem Fall von der Detailstudie zum big picture. Diese bewusste Entscheidung der Herausgeber mag in Frage gestellt werden, letztendlich beeinträchtigt sie die wissenschaftliche Qualität der Beiträge aber nicht. Jeweils drei Studien widmen sich einem dieser erwähnten Bereiche. Der wirtschaftliche und kulturelle Austausch zwischen Nord und Süd zieht sich als roter Faden durch das Buch.

Zwei der drei Studien zum Bereich consumption von Katherine Anne Wilson und Christina Antenhofer stellen mit auf Inventaren basierenden Studien einen Quellentyp ins Zentrum ihrer Untersuchung, der in diesem Kontext unerlässlich ist. Der Blick richtet sich einerseits auf nordeuropäisch städtische, andererseits auf höfische Dokumente Italiens. Beide unterstreichen die Relevanz von seidenen und wollenen Luxustextilien - letztere zumeist Tapisserien - in den unterschiedlichen Kontexten. Sie verweisen, wie auch spätere Beiträge, auf die unterschiedlichen Qualitäten der Produkte, die sich der Kaufkraft der Klientele anpassten. Ein Prinz ließ etwa eine Tapisserien-Serie zu Heldenthemen in Auftrag geben, ein Bürger kaufte eine vorgefertigte Verdüre von einem spezialisierten Händler. Eine Tapisserien-Serie zu einem christlichen Heiligen, die speziell für den Chor einer Kirche angefertigt wurde, wird von Laura Weigert diskutiert. Sie zeigt das hohe Kommunikationspotential dieser Objekte auf. Diese waren in der Lage, virtuell unterschiedliche Ebenen innerhalb eines Raumes zu verbinden, gingen aber auch darüber hinaus, wenn etwa Theateraufführungen im urbanen Raum sich demselben Thema widmeten.

Die drei darauffolgenden Artikel widmen sich den eng vernetzten Handelsgruppen, die den Austausch ermöglichten und oft durch Familienbande gestärkt wurden. Kriege und politische Unruhen werden als größtes Hindernis des Handels bezeichnet. Während neue Luxusgesetze beunruhigten, erfreuten königliche Hochzeiten, die dem Absatz dienlich waren. Bart Lambert zeichnet die Karrieren italienischer Seidenhändler des 15. Jahrhunderts nach, die zugleich Financiers der burgundischen Herzöge waren. Diese ermöglichten erst den Glanz des Hofes in jenen Ausmaßen, die uns überliefert sind. Francesco Guidi-Buscoli präsentiert ein faszinierendes Bild florentinischer Seidenhändler, die zwischen Neapel, Florenz und Nordeuropa, hier konkret Nürnberg, agierten. Er gibt Einblick in ihre Arbeitsweise und beschreibt etwa, wie sie Stoffmuster zur Nachproduktion nach Florenz sandten. Zudem wird erläutert, dass sie eine breite Palette von Seidenstoffen, von günstig bis exklusiv, lagern mussten, um unterschiedliche Käuferschichten bedienen und auf Marktschwankungen reagieren zu können. Jeroen Puttevils stellt die Handelsmetropole Antwerpen ins Zentrum seiner Betrachtungen um Luxustextilien. Dort trafen sich englische Wollwaren, deutsche Edelmetalle, über Portugal vermittelte Gewürze und italienische Seiden. Die Stadt selbst produzierte und verlegte Tapisserien. Seit dem 16. Jahrhundert entstanden dort auch Seidenstoffe nach italienischem Vorbild.

Staatliche Unterstützung, technischer Fortschritt und Importsubstitution sind Schlagworte, die den dritten Abschnitt des Buches dominieren, jenen der production. Sie erweisen sich als treibende Kräfte in der Entwicklung der italienischen Woll- und Seidenproduktion. Zudem wird die Wichtigkeit der sozialen Organisation einer wachsenden städtischen Mittelschicht hervorgehoben, die die teils neuen Produktionsbereiche in Zünfte unterteilte, was nicht immer reibungslos von statten ging. Peter Stabel diskutiert diese Problematik anhand der Stadt Mecheln. Die beiden letzten Artikel von Franco Franceschi und Luca Molà geben jeweils Überblicke über die Woll- und Seidenproduktion Italiens und die damit einhergehenden technologischen Fortschritte in beiden Sparten, aber auch über deren soziale Auswirkungen. Wenngleich ursprünglich importierte Luxusgüter wie englische Wollstoffe oder Seiden aus dem Iran kopiert wurden, so sicherten technische Erfindungen Italien in der Folge für Jahrhunderte den ersten Platz in der Produktion von Seidenartikeln. In Städten wie Florenz war bis über ein Drittel der Bevölkerung im textilen Sektor beschäftigt. Soziale Unruhen und finanzielle Anreize trugen das Wissen um komplexe Produktionstechniken trotz stetigen Bemühens um seine Gemeinhaltung von Stadt zu Stadt und machten letztendlich die Teilstaaten Italiens zu wichtigen politischen und kulturellen Akteuren.

Ein Schlusswort von Graeme Small zieht die unterschiedlichen Erzählstränge zusammen. Er spricht von der revealing order (235) der einzelnen Bereiche des Buches, beginnt seine Diskussion aber mit der letzten Sektion, production, mit der der Band im Grunde anfangen sollte, um dem Leser die Bühne zu bereiten auf der die folgenden Studien spielen. Das weitreichende Thema des Bandes Europe's Rich Fabric ist zu ambitioniert, um ein geschlossenes Ganzes zu bilden, bleibt aber ein wichtiger Beitrag innerhalb des interdisziplinären Feldes der textilen Studien zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert.

Barbara Karl