Piotr Górecki : The Text and the World. The Henryków Book, Its Authors, and their Region, 1160-1310, Oxford: Oxford University Press 2015, XVI + 288 S., ISBN 978-0-19-968879-1, GBP 75,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Karel Hruza / Alexandra Kaar (Hgg.): Kaiser Sigismund (1368-1437). Zur Herrschaftspraxis eines europäischen Monarchen, Wien: Böhlau 2012
Peter Eschenloer: Geschichte der Stadt Breslau. Herausgegeben und eingeleitet von Gunhild Roth, Münster: Waxmann 2003
Der Liber Fundationis Claustri Sancte Marie Virginis in Heinrichow, verkürzend deutsch als Heinrichauer Gründungsbuch, polnisch als Księga Henrykowska benannt, stellt zweifellos das herausragendste historiografische Werk im Schlesien des "revolutionären" 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts dar und gehört damit zu den wichtigsten Geschichtsquellen für das piastische Polen. Die aus zwei Partien bestehende Handschrift aus der niederschlesischen Zisterze Heinrichau, deren erster Teil wohl kurz vor 1270 und deren zweiter um 1310 niedergeschrieben worden ist (zusätzlich ist ihr noch ein Verzeichnis der Breslauer Bischöfe Ordinatio Wratizlauiensis ecclesie episcoporum angefügt), hat bereits mehrere Editionen (1854, 1949, 1991 mit Faksimile) sowie Übersetzungen ins Deutsche, ins Polnische und zuletzt ins Englische erfahren. [1] Wegen seiner hohen, vornehmlich sozialgeschichtlich interessanten Aussagekraft, seiner Anschaulichkeit und minutiösen Dokumentation wird der fast 100 Seiten umfassende Text von deutschen wie polnischen Forschern gleichermaßen hoch geschätzt; die Zahl einschlägiger Studien zu einzelnen Aspekten ist inzwischen sehr beachtlich. Eine Art Adelung erhielt das im Erzbischöflichen Diözesanarchiv in Breslau aufbewahrte Manuskript im Oktober 2015 durch die Aufnahme in das Verzeichnis des Weltdokumentenerbes als "a unique source of knowledge about the cultural exchange process which in the High Middle Ages strongly influenced the shape of the future world". [2]
Zu den Forschern, die sich in den letzten Jahrzehnten am grundlegendsten mit dieser Quelle auseinandergesetzt haben, zählt zweifellos der in Krakau geborene Mediävist Piotr Górecki, Professor an der University of California, Riverside. Ihm ist es auch in besonderem Maße zu verdanken, dass das lange Zeit vornehmlich nur von der engeren Landes- und Regional- sowie der Siedlungsforschung beachtete Werk inzwischen in einem breiteren Kontext auf internationaler Ebene Ansehen gewonnen hat. Auch in seinem hier vor-zustellenden jüngsten Buch, das gewissermaßen eine Art Resümee seiner jahrelangen Beschäftigung mit diesem Stoff ist - im Literaturverzeichnis werden über 30 eigene Studien dazu aufgelistet -, geht es ihm wieder darum, von der Mikrohistorie einer kleinen Region im südwestlichen Schlesien ausgehend exemplarische Fragen moderner Geschichtsforschung zum europäischen Mittelalter ins Auge zu fassen. In insgesamt neun Kapiteln führt er konkrete Analysen zum Text, zu den Biografien der beiden Autoren, zu deren unmittelbarer Umwelt, zur Besitz- und Siedlungsentwicklung dieser zisterziensischen Kommunität, zu deren Verhältnis zu Landes- und Grundherren auf der einen sowie zur ländlichen und städtischen Bevölkerung auf der anderen Seite durch. Diese weitet er aus zu überwölbenden Fragestellungen etwa nach dem Verhältnis von Schriftlichkeit zu Memoria oder Rechtsargumentation, nach dem Wechselspiel kultureller Kontakte und Interaktionen, nach der Spezifik sozialer oder religiöser Gemeinschaften und vielem anderen mehr. Dass dies stets vor der Folie der vielfältigen Transformationen auf sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Ebene während des 13. Jahrhunderts geschieht, versteht sich von selbst.
Der durch eine Reihe von Zwischenüberschriften und ein kombiniertes Personen-, Orts- und Sachregister recht gut erschließbare Band ist erkennbar auf einen mit der spezifischen historischen Entwicklung im östlichen Mitteleuropa nicht ganz so bewanderten Leserkreis ausgerichtet. Aber auch der speziell an der schlesischen Geschichtsforschung Interessierte wird daraus manchen Nutzen ziehen können, selbst wenn er bemängeln muss, dass in der Rezeption der älteren Forschung von deutscher Seite doch einige Lücken offenkundig sind und die Verwendung der Ortsnamen (auch in den vier beigegebenen Karten) Inkonsequenzen und kleinere Fehler aufweist.
Anmerkungen:
[1] Vgl. die Rezension von Eduard Mühle zu Piotr Górecki: A Local Society in Transition. The Henryków Book and Related Documents, Toronto 2007, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 59 (2010), 596-597.
[2] Nomination form. International Memory of the World Register, in: http://www.unesco.org/new/fileadmin/MULTIMEDIA/HQ/CI/CI/pdf/mow/nomination_forms/poland_henrykow_eng.pdf, 1 (08.04.2016).
Winfried Irgang