Waldemar Kowalski: The Great Immigration. Scots in Crakow and Little Poland, circa 1500-1660 (= Studies in Central European Histories; Vol. 63), Leiden / Boston: Brill 2015, XIV + 316 S., ISBN 978-90-04-30309-6, EUR 129,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Als das "Amerika dieser Zeit" (19) zog das polnisch-litauische Großreich im 16. und 17. Jahrhundert viele Einwanderer an, die hier ihr Glück wagen wollten, unter ihnen auch eine bemerkenswerte Anzahl von Schotten. Die schottischen Neuankömmlinge waren in der Mehrzahl ledige junge Männer und eine Art "Wirtschaftsflüchtlinge". Galt lange die einzigartige religiöse Toleranz des polnisch-litauischen Vielvölkerstaates als Pull-Faktor, so sieht man heute (wie auch die zu besprechende Arbeit zeigt) vor allem ökonomische Faktoren als ausschlaggebend an, auch wenn die freie Religionsausübung ein zusätzlicher wichtiger Faktor war. Ein Großteil der Immigranten war im Handel tätig und hatte ein eher zweitrangiges Interesse an einer Ansiedlung beziehungsweise an der Integration und Aufnahme in die lokale Bürgerschaft. Regelrecht angesiedelt wurden sie allerdings in sogenannten Privatstädten wie Zamość und Tarnów, in den Kaufmannsmetropolen wie Danzig und Krakau bestand eher eine zurückhaltende Politik der Neuaufnahme nur für reiche Anwärter, die Grundbesitz erwerben und heiraten konnten.
Der Autor der vorliegenden Studie, der an der Jan Kochanowski-Universität in Kielce tätige Historiker Waldemar Kowalski, hat sich Krakau und die umliegende Region Kleinpolen für seine Untersuchung der ausgewanderten Schotten vorgenommen, vor allem weil er hierzu auf die reichhaltige Überlieferung in den städtischen Akten zurückgreifen kann. Die nun in einer renommierten Reihe veröffentliche englischsprachige Übersetzung stellt seine Forschung einem internationalen Publikum zur Verfügung und basiert auf seiner 2010 und in zweiter Auflage 2014 erschienenen Arbeit. [1] Sie konzentriert sich auf das 16. und 17. Jahrhundert, also die Glanzzeit der Adelsrepublik, und auf ihre Hauptstadt Krakau, die sich erst jetzt als zentrale Residenz etablierte.
Zunächst jedoch eine Relativierung: Neben den Polen, Juden, Deutschen, Italienern, Franzosen, Ungarn und Schweden spielten Schotten in Krakau und Kleinpolen eine eher marginale Rolle, die sich vermutlich unter einem Prozent bewegte. Zudem wurde auch wandernden Hausierern häufig der Beiname "scotus" oder "Schott" verliehen, und es bestanden alle möglichen Kombinationen von "Moses Szkot" (jüdischer Schotte?) und "Stanislaw Schoth" (in Polen geborener Schotte?), was die generell schon schwierige Zuschreibung von Nationalitäten auf der Basis von den in den Akten genannten Namen noch weiter verkompliziert. Die neuere Forschung, etwa eine fast gleichzeitig mit Kowalskis Buch erschienene englischsprachige Dissertation, konstatiert, dass es wohl nicht mehr als 7000 schottische Einwanderer - einschließlich der in Polen-Litauen geborenen - gegeben hat. [2] Die vormals großzügigen Schätzungen von über 30 000 schottischen Einwanderern sind damit doch erheblich reduziert worden.
Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass sich die Forschung (fast) jeden aktenkundigen Schotten vornehmen kann, und auch Kowalski präsentiert im Text und in den beigegebenen umfangreichen Anhängen viel Material. Er kommt dabei zu neuen und teils auch überraschenden Ergebnissen, die unser Bild der vormodernen Stadt Krakau weiter differenzieren können. Ab den 1570er-Jahren finden sich vermehrt Schotten in den Stadtakten, da sie zu diesem Zeitpunkt wohl verstärkt begannen, das Bürgerrecht zu beantragen. Die Krakauer Schotten kamen vor allem aus Aberdeen und sind ein Beispiel für eine Ketten-Migration. Kennzeichnend für ihre wirtschaftliche Tätigkeit war der Handel mit sogenannten Nürnberger Kramwaren oder Tand, die sie entweder in Ständen und Läden verkauften oder auf dem Rücken tragend in die umliegenden Städte verbrachten. In diesem Kleinhandel waren traditionell viele Frauen vertreten, die sich auch in die lokalen Zünfte integrierten. Die reicheren Neuankömmlinge besaßen wenige Immobilien, dafür aber einiges an mobilen Gütern. Entsprechend der multilingualen Stadtkultur in Ostmitteleuropa war es selbstverständlich, dass sie - neben Gälisch - Englisch, Polnisch und häufig auch Deutsch sprachen. Ihre Integrationsfähigkeit scheint jedoch im Vergleich zu den beiden anderen großen ethnischen Gruppen, den Deutschen und Italienern, nicht ganz so ausgeprägt gewesen zu sein. Während sich etwa die Deutschen problemlos assimilierten, blieben die Schotten wohl eher unter sich und reduzierten ihre Kontakte auf einen pragmatischen Umgang.
Dem Verfasser ist hoch anzurechnen, dass er sehr vorsichtig formuliert und sein eigenes Zahlenmaterial immer wieder skrupulös hinterfragt. In gewissem Widerspruch hierzu steht die sehr häufige Platzierung von statistischen Angaben und Zahlenmaterial, was teilweise auch den Lesefluss stört. Gerade bei den letzten beiden Kapiteln, dem spannenden Thema der Integration, hätte man sich mehr qualitative Aussagen gewünscht.
Anmerkungen:
[1] Waldemar Kowalski: Wielka imigracja. Szkoci w Krakowie i Małopolsce w XVI - pierwszej połowie XVII wieku, Kielce 2010.
[2] Peter Paul Bajer: Scots in the Polish-Lithuanian Commonwealth, 16th to 18th Centuries. The Formation and Disappearance of an Ethnic Group, Leiden 2012.
Karen Lambrecht