Rezension über:

Aleksandr Vladimirovič Pačkalov: Zolotaja orda po dannym numizmatičeskich istočnikov. [Die Goldene Horde im Spiegel der numismatischen Quellen], Moskva: Knorus 2018, 178 S., ISBN 978-5-4365-2528-0
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Elena Smolarz
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Conermann
Empfohlene Zitierweise:
Elena Smolarz: Rezension von: Aleksandr Vladimirovič Pačkalov: Zolotaja orda po dannym numizmatičeskich istočnikov. [Die Goldene Horde im Spiegel der numismatischen Quellen], Moskva: Knorus 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 9 [15.09.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/09/33536.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Forum:
Diese Rezension ist Teil des Forums "Neuere Forschungen zur Goldenen Horde" in Ausgabe 19 (2019), Nr. 9

Aleksandr Vladimirovič Pačkalov: Zolotaja orda po dannym numizmatičeskich istočnikov

Textgröße: A A A

Die Geschichte der Goldenen Horde lässt sich kaum anhand der internen Quellen erforschen. Nur Urkunden und Briefe der mongolischen Elite geben Historikern Auskunft über zeitgenössische Ereignisse, politische Allianzen und wirtschaftliche Entwicklungen. Weitere Schriftquellen stellen die Fremdzeugnisse dar: Reiseberichte, Geschichtstraktate und Chroniken arabischer, persischer und europäischer Autoren. Neben den Schriftquellen liefern Überreste materieller Kultur essentielle Anhaltspunkte für die Lokalisierung historischer Städte, für die Rekonstruktion innerkontinentaler Handelswege und regionaler Alltagsgeschichte. Die Auswertung numismatischer Funde bringt viele neue Erkenntnisse in die Erforschung der Geschichte der Goldenen Horde. Diese materiellen Zeugnisse sind besonders wertvoll, da sie keine politisch oder religiös bedingte Fremdprägung nachweisen. Insofern ist es zu begrüßen, dass Aleksandr Pačkalov die neuesten Ergebnisse archäologischer Fundstätten aus dem 13.-15. Jahrhundert in der unteren Wolgaregion, in der kasachischen Steppe und in Sibirien in seinem hochspannenden Werk vorstellt.

Das als Monographie deklarierte Werk besteht aus 18 Aufsätzen, die die mongolischen Münzfunde hauptsächlich an der unteren Wolga und in benachbarten Regionen detailliert darstellen und eine überzeugende (Re)interpretation der Geschichte der Goldenen Horde bieten. Aufgrund der fehlenden Einleitung und eines ebenfalls fehlenden Schlusskapitels, die dem Sammelband einen thematischen Rahmen hätten geben können, kann die Rezensentin die einheitliche Hauptthese der vorliegenden Arbeit nur aus einzelnen Ausgangsfragen zusammenfassen. Es handelt sich um eine Mischung aus Präsentation neuester numismatischer Ausgrabungsfunde und deren Bedeutung für die Rekonstruktion wirtschaftlicher und politischer Dynamiken in der Golden Horde. Beide Aspekte sind von großem wissenschaftlichem Interesse.

Die meisten Aufsätze enthalten Auswertungen regionaler Münzfunde aus der Wolga-Ural-Region, aus Sibirien, aus der kasachischen Steppe und aus Zentralasien. Neben den Funden von antiken Münzen in den Ausgrabungsstätten der Goldenen Horde werden die Münzfunde von Mizdahkan in Choresm, in Džan-kala, in Carëv (Carëvskoe gorodišče) und auf der Halbinsel Mangischlak vorgestellt. Des Weiteren äußert der Autor seine Überlegungen zur Lage der mongolischen Prägungsstätten Neu Gülistan (Novyj Gjulistan) und Orda al-Džadid. Basierend auf neuen Erkenntnissen hinterfragt der Autor bereits etablierte Thesen zur Entwicklung der Städte und der Handelsrouten auf dem Territorium der Goldenen Horde. Pačkalov lokalisiert die Städte an der unteren Wolga und nennt Faktoren, die ihre Entwicklung beeinflusst haben könnten, wie zum Beispiel die Transgression des Kaspischen Meeres.

Um die thematische Vielfalt zu veranschaulichen werden im Folgenden drei Aufsätze genauer vorgestellt. In "Numismatische Funde in Carëv (Carëvskoe gorodišče) Ende des 20. Jahrhunderts" (93-108) vertritt Pačkalov die These, dass an dieser Stelle die Stadt Gülistan und nicht Neu-Saraj, wie vorher vermutet wurde, lokalisiert werden sollte. Da die gefundenen Münzen hauptsächlich aus den Jahren 1340-1360 stammten, ist vermutlich die Stadt erst am Ende der Regierungszeit von Uzbek oder am Anfang der Regierungszeit von Džanibek entstanden. Der Untergang der Stadt könnte entweder auf eine Pestepidemie oder auf die Feldzüge von Mamai zurückgeführt werden. Neben mongolischen Prägungen aus Saraj, Neu-Saraj und Gülistan verfügt die Fundstätte über europäische, chinesische und indische Münzen, was auf weitgehende Handelsverbindungen hinweist. Dem Aufsatz ist eine ausführliche Auflistung der Münzen sortiert nach Fundort, Herrscherzeit, Prägungsort und geschätzte Datierung beigelegt. In diesem Beitrag präsentiert der Autor eine fundierte Auswertung numismatischer Funde mit sorgfältiger Einordnung der Ergebnisse in die aktuelle Forschung.

Einen hohen topographischen Wert hat auch der Aufsatz "Alt-Saraj und seine Lage" (40-51). Anhand vergleichender Analyse der Münzfunde präsentiert Pačkalov eine gut begründete These zur Datierung und Lokalisierung der Hauptstädte der Goldenen Horde. Er geht davon aus, dass es sowohl Saraj (oder Alt-Saraj) als auch Neu-Saraj gab. Dies steht im Gegensatz zur These von der Existenz nur einer Hauptstadt, und zwar an der Ausgrabungsstätte Selitrennoe (Selitrennoe gorodišče). Ebenfalls bezweifelt Aleksander Pačkalov die bisher etablierte These zur Lokalisierung von Saraj in der Ausgrabungsstätte Selitrennoe und von Neu-Saraj in der Ausgrabungsstätte Carëvskoe (Carëvskoe gorodišče). Basierend auf der Analyse der Prägungszeit der gefundenen Münzen kommt der Autor zur Erkenntnis, dass die neue Hauptstadt in der Ausgrabungsstätte Selitrennoe lokalisiert werden solle. Alt-Saraj liege gemäß weiteren Ausführungen an der Ausgrabungsstätte Krasnyj Jar in der Nähe von Astrachan'. In den schriftlichen Quellen wurde Alt-Saraj zwischen Mitte des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts erwähnt. Die Münzfunde in Selitrennoe stammen aus späterer Zeit und könnten eher Neu-Saraj zugeordnet werden. In der Nähe von Krasnyj Yar wurden dagegen viele Silber- und Kupfermünzen mit der Prägung 'Saraj' aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts identifiziert. Jedoch fehlen dort silberne und kupferne Münzen aus der Regierungszeit von Džanibek (1340), was auf die Gründung einer neuen Hauptstadt hinweisen könnte. Weitere archäologische Funde bekräftigen diesen Standpunkt. In diesem Aufsatz überzeugt der Autor mit einer komplexen Untersuchung von schriftlichen, archäologischen und numismatischen Quellen.

Im weiteren hoch interessanten Beitrag "Städte der Unteren-Wolga-Region am Ende des 14. Jahrhunderts" (131-146) rekonstruiert der Autor topographische Lage und urbane Entwicklung in der Region. Basierend auf Auswertungen der Münzsammlungen und auf Angaben schriftlicher Quellen unternimmt Pačkalov Lokalisierung aller wichtiger mongolischer Städte, wie Saraj und Neu-Saraj, Gülistan, Chadži Tarchan, Ukek, Idil' und Ak-Saraj. Im 14. Jahrhundert lagen die meisten Siedlungen an der unteren Wolga im südlichen Teil (heute im Süden der Region Wolgograd und Astrachan'). Militärische Auseinandersetzungen zwischen Timur und Tochtamysch verursachten die Zerstörung oder den Niedergang der meisten Siedlungen, was sich im Münzverkehr widerspiegelte.

Dieses Werk umfasst fundierte Auswertungen der numismatischen Quellen und eine überzeugende Reinterpretation der topographischen Geschichte der Goldenen Horde. Allerdings sollte sich der interessierte Leser bei dieser archäologischen Forschungsreise auf eine gewisse 'Schatzsuche' gefasst machen. Der wertvolle Inhalt einzelner Aufsätze muss in einigen Fällen noch 'freigelegt' werden: Im Inhaltsverzeichnis wurden die vier letzten Aufsätze ausgelassen, dafür aber eine Literaturliste als eigenständige Einheit aufgelistet. Die Zitierweise in den einzelnen Beiträgen ist nicht einheitlich. Einige Beiträge enthalten Formatierungsfehler, was das Verständnis dieser sehr dicht verfassten Texte etwas erschwert. Allerdings handelt es sich dabei eher um Satzmängel. Die Qualität der wissenschaftlichen Recherche und Analyse verdient hohes Lob. Durch umfassende Berücksichtigung der vorhandenen numismatischen, archäologischen und schriftlichen Quellen baut Aleksander Pačkalov eine überzeugende Argumentation auf und lässt den Raum für neue Diskussionen offen.

Elena Smolarz