Christina Strunck (Hg.): Faith, Politics and the Arts. Early Modern Cultural Transfer between Catholics and Protestants. Edited by Christina Strunck (= Wolfenbütteler Forschungen; Bd. 158), Wiesbaden: Harrassowitz 2019, 392 S., 113 s/w-Abb., ISBN 978-3-447-11140-9, EUR 88,00
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Im Harrassowitz Verlag Wiesbaden ist nun Band 158 der Wolfenbütteler Forschungen erschienen. Der von Christina Strunck herausgegebene Tagungsband dokumentiert die Beiträge der internationalen Konferenz, "Glaube, Politik und die Künste. Frühneuzeitliche Transfers zwischen katholischen und protestantischen Kulturen", die vom 9. bis zum 13. März 2016 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel stattgefunden hat. Der Band erweitert die Erforschung von religiös-konfessioneller Differenz, Koexistenz und Dependenz in der europäischen Neuzeit um die bislang selten berücksichtigte bau- und bildkünstlerische Perspektive und analysiert dabei, "wie Kunst, Konfession und Politik [in der Frühen Neuzeit] bei der Konturierung interkultureller Kontakte zusammenwirken" (11).
Der Aufbau des Bandes, der sich vielperspektivisch, kritisch vereinfachende Kontextualisierungspraktiken hinterfragend mit transnationalen, interkonfessionellen Austauschprozessen beschäftigt, ist stringent und sachlogisch; dies zeigt sich deutlich in der viergliedrigen Struktur, die ein großes Spektrum unterschiedlicher respektive korrespondierender Ansätze erlaubt. Den Themenkomplexen "Fortleben und Transformation der Tradition" (26-99), "Konflikt und Konsens" (103-173), "Herrschaft und sakraler Raum" (177-239) und "Die Wirkmacht der Bilder" (271-335) stellt Christina Strunck ihre programmatische Einleitung (9-24) voran. Mit Nachdruck betont sie die aus dem Perspektivwechsel auf die "Rolle der Künste innerhalb konfessioneller, politisch aufgeladener Transfer- und Aushandlungsprozesse" (11) resultierenden Impulse, die für die weitere, vertiefende Erforschung konfessioneller Differenz und Koexistenz notwendig sind. Die Beiträge sind in englischer und deutscher Sprache verfasst und allesamt von herausragender wissenschaftlicher Qualität. Die im Folgenden näher betrachteten Beiträge sind hierfür exemplarische Belege:
Stavros Vlachos greift in seiner Untersuchung "Continuities between the Pre-Reformation Artistic Tradition and Protestant Art in Germany" den Leitgedanken der Tagung auf und zeigt, wie vorreformatorische Bild- und Stilelemente in der protestantischen Kunst des 16. Jahrhunderts fortgeführt und modifiziert werden. Anhand bislang in der Forschung unberücksichtigter Künstler und ihrer Arbeiten belegt er die kontinuierliche Entwicklung einer Vielfalt eigenständiger Ausdrucks- und Gestaltungsformen jenseits des protestantischen Diktums nach formaler Schlichtheit und gestalterischer Einfachheit. Holzschnittartige, schablonenhafte Zuschreibungen, die in der Vergangenheit - zumeist auf der Grundlage von Untersuchungen zu Lucas Cranach dem Älteren und seinem Sohn - getroffen wurden, werden von ihm in Frage gestellt und widerlegt. Vor dem Hintergrund der Darstellungsvielfalt transzendentaler Motive stellt er stattdessen protestantische Künstler vor, deren Arbeiten protestantische Orthodoxie und künstlerische Kreativität vereinen. So verwendet Michel Ribestein 1562 in seinem Epitaph für den Berliner Bürgermeister Simon Mehlmann und seine Familie, "Christus in der Vorhölle" zur Darstellung der Gloriole drei Lagen unterschiedlicher Farbtöne, um die Stärke des heiligen Lichts zu akzentuieren, das den Sieg über den Tod hervorhebt. Diese Form der Affektlenkung, die bereits traditioneller Bestandteil vorreformatorischer Kunst war, findet hier ihre Fortsetzung.
Überkonfessionelle Repräsentationskonzepte beleuchtet Olaf Mörke in seinem Beitrag zur Herrschaftsrepräsentation Wilhelms III. von Oranien-Nassau (1650-1702), der den zweiten Teil des Bandes schließt. Am Beispiel des Oraniers, Statthalter der Niederlande seit 1672 und König von England, Schottland und Irland in Personalunion seit 1689, beleuchtet Mörke die Wirkmacht höfischer Propaganda: Im Gegen- und Nebeneinander der Stände und Konfessionen in den Niederlanden kommt dem Statthalter eine Schlüsselrolle zu. Seine Repräsentation muss überkonfessionell, identifikations- und gemeinschaftsstiftend wirken. In zeitgenössischen propagandistischen Bild- und Textquellen wird Wilhelm III. folglich als Bewahrer des wahren Glaubens gegenüber dem Katholizismus, als Friedensfürst und miles christianus gefeiert. Im Zusammenspiel der Topoi erwächst das Bild des Statthalters der Niederlande als europäischer Schutzherr protestantischer Freiheit und Religion. Zwei Faktoren begünstigen diesen Repräsentationsmodus: zum einen ein für die niederländische Republik des 17. Jahrhunderts charakteristischer, kohärenzstiftender Alltagspragmatismus, der eine konfessionelle Koexistenz trotz Differenz und Dissimulation ermöglicht, zum anderen die Fähigkeit der einzelnen an der Gestaltung des Gemeinwesens beteiligten religiös-politischen Akteure in den Niederlanden, die Zeichensprache der Herrschaftsrepräsentation als gesellschaftskonstituierend zu verstehen und zu propagieren. Dass sich dieser Katalog der überhöhenden, supranationalen, transkonfessionellen Attribute in England im öffentlichen wie höfischen Kontext propagandistisch erfolgreich applizieren lässt, beweist die religiös-politische motivierte Gelegenheitsliteratur, die zu Wilhelms Ankunft in England publiziert wird. Ob sie fortwährend ihr Ziel erreicht hat, steht zu bezweifeln, da Wilhelms Inthronisierung/ Usurpation große innenpolitische, öffentliche Kontroversen verursacht. Mörke zeigt eindrucksvoll, wie ein multiperspektivischer Ansatz die Voraussetzung schafft, Wilhelm III. in seiner mehrdeutigen, kontextvariierenden Rolle zu bewerten, einzuordnen und zu verstehen.
Unter Berücksichtigung einiger Architekturprojekte, welche Christina von Schweden (1626-1689) in Rom zwischen 1654 und 1689 planen ließ, weist Veronica Biermann nach, wie eindrücklich interkonfessioneller Ideentransfer Christinas Repräsentationsstrategien prägt. Nach ihrer Konversion zum katholischen Glauben 1655 und ihrer triumphalen Ankunft beginnt Christina "nach Möglichkeiten [zu suchen], Distinktionsformen ihrer Sakralität und königlichen Suprematie im Sinne des protestantischen Modells auch im katholischen Rom geltend zu machen" (263). Am Beispiel der axialen Struktur in protestantischen Kirchräumen, in denen die Polarisierung von Thron und Altar als immanentes Konkurrenzverhältnis sichtbar wird, beweist Biermann, wie wichtig es Christina ist, durch die von ihr in Auftrag gegebenen Repräsentationsformen, ihre auch in Rom "weiterhin bestehende und eminent protestantische Anspruchshaltung einer gesalbten Königin und Heiligen Majestät [absichtsvoll und demonstrativ] zur Schau zu stellen" (266). Dieser Zusammenhang ist für sie von existenzieller Bedeutung, da sie in Schweden auf die Herrschaft verzichtet hatte, "nicht jedoch auf die Herrscherweihe einer Heiligen Majestät" (267). Biermann schlussfolgert überzeugend, dass Christinas Übertritt zum katholischen Bekenntnis so zu deuten sei, dass sie einen Weg suchte, ihre königliche Weihe auch nach ihrer Abdankung zu festigen und zu untermauern. Kreativ und innovativ habe sie aus diesem Grund in Rom sakrale und weltliche Gebäude so planen lassen, dass Architektur und Arrangements ihrem herrschaftlichen Anspruch und Selbstverständnis nachhaltig visuell Ausdruck verleihen und keinen Zweifel an ihrer Stellung zu lassen.
Die im Band vorgestellten Verfahren, die politische, gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Transferprozesse durch methodische Offenheit und multiperspektivische Ansätze aufspüren und sichtbar machen, zeichnen sich vor allem durch gedankliche Klarheit und Präzision aus. Die wissenschaftliche Tiefe des Primärquellenstudiums in Bild und Text ist in diesem Band beispielhaft.
Christof Ginzel