Anne Curry / Susan Jenkins (eds.): The Funeral Achievements of Henry V at Westminster Abbey. The Arms and Armour of Death (= Royal Armouries Research Series; Vol. II), Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2022, XXIV + 269 S., 175 Farb-, 33 s/w-Abb., ISBN 978-1-78327-717-9, GBP 80,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Cédric Giraud: Notre-Dame de Paris 1163-2013. Actes du colloque scientifique tenu au Collège des Bernardins, à Paris du 12 au 15 décembre 2012, Turnhout: Brepols 2013
Alicia Scarcez (éd.): L'antiphonaire cistercien primitif d'après les sources musicales de 1136/1140. Le premier chant de Cîteaux retrouvé, Münster: Aschendorff 2020
Albrecht Classen (ed.): Handbook of Medieval Studies. Terms - Methods - Trends, Berlin: De Gruyter 2010
Bevor sich Heinrich V. von England 1415 nach Frankreich einschiffte, um dort in Azincourt einen der gewaltigsten Schlachtenerfolge des 15. Jahrhunderts davonzutragen, legte er in seinem Testament fest, wo er bestattet werden wollte: in der Abtei von Westminster. Dort sollte über seinem in unmittelbarer Nähe zum Leichnam Edwards des Bekenners befindlichen Grab eine Gedächtniskapelle errichtet werden. Nachdem der Tod den König 1422 im Schloss von Vincennes ereilt hatte, erfolgte die mit enormer Prachtentfaltung und symbolischer Grundierung vollzogene Trauerfeier am 7. November in der Abtei.
Der vorliegende Band, entstanden im Umfeld der Feierlichkeiten anlässlich des 600. Todestages des Königs, umfasst elf, reich und aufwendig bebilderte Beiträge. Im Anhang findet sich die erste kommentierte englische Übersetzung des zweiten Testaments Heinrichs V. von 1421 (250-263). Beleuchtet wird nicht nur der Ablauf der Trauerfeierlichkeiten selbst, sondern vor allem der Bauprozess der ab 1438 errichteten Grabkapelle im Ostchor der Westminster Abtei. Zu dieser Grabkapelle gehörten die sogenannten "funeral achievements" - Sattel, Helm, Schild und Schwert -, die mit dem König selbst in Verbindung gebracht wurden, gut sichtbar an einem Stützbalken über der Kapelle hingen und von den militärischen Ruhmestaten des "warrior king" kündeten.
Jedes einzelne Stück dieser "funeral achievements" war in den vergangenen Jahren Gegenstand tiefgreifender Untersuchungen und Restaurierungen. Der Grund: 2015 wurde das innerhalb der Abtei in einem normannischen Kellergewölbe untergebrachte Undercroft Museum geschlossen, drei Jahre später die im Triforium der Kirche spektakulär gestalteten Queen's Diamond Jubilee Galleries eröffnet. Dort fanden nun auch die funeral achievements ihren Platz. Diana Heath äußert sich zu den Bedingungen und zum Ablauf der Restaurierungskampagne (Conservation of the Funeral Achievements, 192-206), während David Edge und Alan Williams über den Nutzen mikroinvasiver Techniken bei der Konservierung der Stücke handeln (Scientific Analysis: Micro-Invasive Techniques, 207-220) und Robert Hill das Gleiche für die nichtinvasiven Techniken leistet (Scientific Analysis: Non-Invasive Techniques, 221-249).
Als erster untersuchte William Henry St John Hope die Riten und materiellen Aspekte beim Begräbnis Heinrichs V. von England. [1] Die reich überlieferten Quellen sprechen davon, dass bei dieser Gelegenheit vier Pferde samt Geschirr dem Abt von Westminster Abbey, vier Sättel dem zuständigen Amtsträger (sacrist) übergeben worden sein sollen. Der Keeper of the Vestry soll ein Schwert, dazu die gesamte Rüstung für einen Mann samt Wappenschild erhalten haben. Eine letzte Sicherheit, dass es sich bei den in vorliegendem Band behandelten Stücken tatsächlich um die in den Quellen angeführten handelt, gibt es nicht. Tatsächlich ist es unsicher, ob sich Sattel, Helm, Schild und Schwert bereits zu Lebzeiten im Besitz des Königs befunden haben. Hier liegt die Vermutung nahe, man habe bereits vorhandene Stücke einem Lager der Wardrobe entnommen und so einer sinnvollen Zweitverwertung zugeführt. In keinem der beiden königlichen Testamente (1415/1421) war detailliert dargelegt worden, wie sich der König seine Totenfeier vorstellte. Es gab freilich Vorbilder, an denen man sich orientieren konnte. Anne Curry weist in ihrem einführenden Beitrag ausgesprochen kompetent auf diese Vorbilder hin (Introduction - Henry V and Westminster Abbey - Life, Death and Afterlife, 1-19), während Chris Given-Wilson ein detailliertes Bild der Trauerfeierlichkeiten zeichnet (The Funeral of Henry V, 32-43). Vier Aspekte finden besondere Behandlung: neben der Toteneffigies (1) sind dies Pferdegeschirr, Banner und Wappenschilder (2), die Kerzen (3) und die Ritterrituale beim Begräbnis selbst (4).
Der Grabkapelle, "one of the single most spectacular products of English fifteenth-century architecture" (44), die noch über den nahezu vollständigen Bestand an mittelalterlichem skulpturalem Schmuck verfügt, widmet sich John Goodall (Henry V's Chapel, 44-91). In den Blick geraten nicht nur Heinrichs einschlägige testamentarische Verfügungen, sondern auch die möglichen Vorbilder für die Gestaltung und das Layout der Kapelle. Wichtige Bemerkungen zielen auf die beteiligten Baumeister und die Praxis des Bauens ab. Die Tatsache, dass über dem Grab die Reliquien der Abtei an angemessenem Ort versammelt werden sollten (congruo collocare), verweist auf das große Vorbild der Reliquientribüne in der Pariser Sainte-Chapelle. Ausstrahlung und Vorbildcharakter der Kapelle waren groß, so groß, dass sie Eingang fanden "into the bloodstream of Westminster Abbey's architectural tradition" (87), was insbesondere für einige Details der Lady Chapel Heinrichs VII. gilt.
Die Ausführungen zu den einzelnen Stücken der "funeral achievements" präsentieren sich ausgesprochen detailliert, behandeln aber auch das historische Umfeld, in dem solche Stücke entstehen konnten. Der Helm, mit dem sich Tobias Capwell beschäftigt (The Funerary Helm of King Henry V. A Helm for the Joust of Peace, c. 1380-1420, 92-127), wog ganze 7,3kg, entstand im Zeitraum zwischen 1380 und 1420 und könnte in der Kapelle hängend 1422 bereits "slightly old-fashioned" (127) gewirkt haben. Außergewöhnlich ist der Erhaltungszustand des um 1400 entstandenen, für die Trauerfeierlichkeiten überarbeiteten Sattels, dem Marina Viallon ihre Aufmerksamkeit schenkt (A Saddle from the Funeral of Henry V, 128-141), während Lisa Monnas (T. Capwell folgend) für den Schild konstatiert, er dürfte 1422 aufgrund seiner Form als altmodisch empfunden worden sein (The Shield from the Funeral Achievements of Henry V, 142-156). Materialanalysen legen eine Entstehung unter Heinrich IV. nahe, Reste der Seidenfütterung verweisen gar in die Zeit Edwards II. oder Edwards III. Das Schwert erweist sich hinsichtlich seiner historischen Verortung als problematisch. Robert C. Woosnam-Savage glaubt, dass seine Entstehungszeit eher am Ende des 15. Jahrhunderts liegt, so dass nur eine Schlussfolgerung bleibt: das Schwert stammt von einem Heinrich, freilich von Heinrich VII. ("Our bruisèd arms hung up for monuments": The Sword of Henry V?, 157-191).
Der hervorragend lektorierte Band sei nicht nur all denjenigen ans Herz gelegt, die sich mit der englischen Monarchie des späten Mittelalters oder der Geschichte einer ihrer zentralen kirchlichen Institutionen, Westminster Abbey, beschäftigen. Über den unmittelbaren Kontext königlicher Funeralriten und der ins Werk gesetzten Memorialisierung Heinrichs V. hinaus erfährt man Grundsätzliches zur Begräbnispraxis in England mit ihrer erstaunlichen Vielfalt an materiellen Aspekten.
Anmerkung:
[1] William H. St John Hope: The Funeral, Monument and Chantry Chapel of King Henry the Fifth, in: The Antiquaries Journal 65 (1914), 129-189.
Ralf Lützelschwab