Georg Menting: Die kurze Geschichte des Waldes. Plädoyer für eine drastische Kürzung der nacheiszeitlichen Waldgeschichte, Andernach: Mantis 2002, 172 S., ISBN 978-3-928852-23-4, EUR 14,90
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Der Autor des im Mantis Verlag des Heribert Illig - Mediävisten bestens bekannt durch sein Werk "Das erfundene Mittelalter" - erschienenen Buches beeilt sich, gleich im Vorwort zu betonen, dass es sich hier um eine chronologiekritische Studie handelt. Im vorliegenden Buch geht es um die Untersuchung der Vegetationsentwicklung in den letzten 15.000 Jahren, dem so genannten Spät- und Postglazial. Die zentrale These lautet, bei genauerem Eingehen auf die Faktenlage sei eine drastische Kürzung der nacheiszeitlichen Waldgeschichte unumgänglich - wie sich im Laufe der Lektüre herausstellt, soll sie um mehr als 50% gestutzt werden.
Der Landschafts- und Geoökologe schreibt im Vorwort, dass er bereits vor dem Abschluss seines Studiums auf den so genannten Chronologiekritiker Immanuel Velikovsky stieß, der eine "Theorie der kosmischen Katastrophen" formulierte. Unter anderem legte dieser dar, es sei aufgrund einer Kollision eines Kometen mit dem Mars sowie weiterer kosmischer Ereignisse zu wiederholten Änderungen der Umlaufbahn der Erde gekommen, zu einer Veränderung der Achsneigung der Erde, der Länge von Tag und Nacht sowie der Jahreszeiten und Jahre: Danach ging etwa die Sonne früher im Westen auf und im Osten unter (137).
Velikovsky und seine kosmische Katastrophentheorie sowie die von diesem begründete Richtung des "Neokatastrophismus" prägen die Herangehensweise an die Thematik und die Argumentation in diesem Buch. Menting schreibt gegen die etablierten "Universitätswissenschaftler" (133) an und will seine Studie als "längst überfälligen, von einer gewissen 'philosophischen Reflexion' begleiteten Gegenentwurf zu den üblichen schulwissenschaftlichen Produkten" verstanden wissen (11). Er hat dabei ein besonderes Problem mit Quartärbotanikern. Kritik an diesen, ihren Methoden und Schriften zieht sich wie ein roter Faden durch das schmale Bändchen. Er wirft ihnen vor, einem "Zeitdiktat" zu unterliegen und den "gesunden quartärbotanischen Menschenverstand" zugunsten einer vieldeutigen und widersprüchlichen Theoriebildung ausgeschaltet zu haben (15). In mehreren Kapiteln versucht er zu belegen, warum die konventionelle Chronologie der nacheiszeitlichen Waldgeschichte so nicht stimmen könne und künstlich in die Länge gezogen worden sei. In Kapitel 2.3 hebt Menting dann gar zur Beweisführung an, sämtliche in den naturgeschichtlichen Disziplinen als exakt geltenden Altersbestimmungsmethoden auf Zirkelschlüsse zurückzuführen.
Nachdem die konventionelle Lehre in all ihren Unzulänglichkeiten, Zirkelschlüssen sowie hinfälligen Methoden und Interpretationen abgetan ist, dringt Menting schließlich in seiner Auseinandersetzung mit den Fakten zur "'wahren' Geschichte des Waldes" durch (10). Er will die "Ausbreitungsgeschichte der Gehölze als eine Folge sich rasch ablösender Massenausbreitungsvorgänge" interpretieren. Diesbezüglich verweist er auf die Ähnlichkeit des mitteleuropäischen Ablaufs der nacheiszeitlichen Wiederbewaldung mit der gesetzmäßigen Waldentwicklung auf einer zuvor vegetationsfreien Fläche, was als Indiz für die rasche natürliche Sukzession als dominierenden Faktor der mitteleuropäischen Waldgeschichte gelten könne. Dabei setzt er allerdings voraus, dass bereits zu Beginn des Holozäns die überwiegende Zahl der heute in Mitteleuropa vorherrschenden Gehölze auf klimatisch und edaphisch begünstigten Standorte eingewandert waren. Als Ursache für eine schnellere Wandergeschwindigkeit der Gehölze gelten dem Autor "Zufallssprünge im Zusammenhang mit den zwischenzeitlich bekannt gewordenen gewaltigen klimatischen Umbrüchen am Ende des Eiszeitalters" (126). Insgesamt ließen diese Erkenntnisse zur nacheiszeitlichen Waldentwicklung als natürlicher Sukzession eine Kürzung der Dauer der Waldgeschichte um 50 Prozent und mehr zu. Konsequenterweise schlägt er daher vor, "zunächst das Atlantikum drastisch zu kürzen" (127).
Es fällt auch dem vegetationsgeschichtlichen Laien nicht allzu schwer, Anachronismen und Unzulänglichkeiten, Fehlschlüsse und unzulässige Analogien auszumachen, die nicht erst im Detail besprochen werden müssen. Die zitierten und aufgeführten Passagen sprechen für sich. Mit einem Schmunzeln sei bemerkt, was beim ersten Durchsehen des Inhaltsverzeichnisses sofort ins Auge fällt. Neben den sieben Großkapitelüberschriften sind auch zwei Exkurse fett hervorgehoben. Exkurs 2 in Unterkapitel 4.2.2 ist betitelt "Fiktive Jahrhunderte im Mittelalter" und ist wohl ebenso wie die anerkennende Titulierung "von weiten Teilen der konventionellen Mittelalterforschung maßlos gefürchteter 'Mediävistenschreck'" als Preis des Verlagschefs und im Geiste verbrüderten Neokatastrophisten Heribert Illig zu verstehen.
Als Resümee darf mit Menting festgehalten werden, dass dem "Allmählichismus" und "Unmerklichismus" (131) abzuschwören ist, wir uns nicht durch die konventionelle Literatur "Denkverbote"(142) auferlegen lassen dürfen und mehr an die Katastrophe als Ursache für Veränderungen glauben sollten. Schließlich sei auch das "großräumige Klima weniger durch industrielle Emissionen als durch 'Bomben' aus dem All" bedroht (142).
Christoph Sonnlechner