Christoph Weber: Episcopus et Princeps. Italienische Bischöfe als Fürsten, Grafen und Barone vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (= Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte; Bd. 20), Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2010, 218 S., ISBN 978-3-631-60242-3, EUR 44,80
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Christoph Weber - ausgewiesener Kenner der frühneuzeitlichen Papst- und Bistumsgeschichte in Italien [1] und Herausgeber der im Peter Lang Verlag erscheinenden "Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte" - stößt mit seiner Neuerscheinung in eine Wissens- und Forschungslücke. Es geht um die europäische Vergleichbarkeit bischöflicher Titelführung mit Blick auf ihre weltliche Herrschaft in zugehörigen Fürstentümern, Grafschaften und Baronien. Diese Vergleichsebene, die insbesondere zwischen der "sovranità" italienischer Bischofsherrschaften und dem Reichsfürstenstatus in der Nachfolge des ottonisch-salischen Reichskirchensystems im deutschsprachigen Raum reizvoll ist, wurde zwar im Band immer wieder angesprochen, doch fehlt sie in der Titelführung des Werkes.
Der Autor geht einleitend von dem kaum kommentierten kurialen Verbot - es wurde am 12. Mai 1951 durch den Kardinalsekretär der vatikanischen Konsistorialkongregation ausgesprochen - aus, das es Erzbischöfen und Bischöfen künftig untersagte, althergebrachte Adelstitel in Schrift, Siegel und Wappen zu führen. Es folgt ein Überblick zu geistlichen Fürstentümern, in dem zu Recht angemahnt wird, dass die deutsche Geschichtsschreibung viel zu lange auf die geistlichen Reichsfürsten fixiert war und titulierte Bischöfe in Italien nicht oder nur kaum zur Kenntnis nahm. Immerhin gab es in Italien und den vier zum Kulturraum gehörigen Inseln Sizilien, Sardinien, Korsika und Malta noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts über 300 eigenständige Bischofssitze. Das angesprochene Desiderat galt freilich auch nur für die monografische Forschung, auf die sich (fast) ausschließlich Christoph Weber stützt, nicht jedoch für die gerade in Österreich und Süddeutschland forcierten Fragestellungen des (früh)neuzeitlichen transalpinen Kulturtransfers.
Der Autor stellt dann die Bandbreite der Titel und Feuda italienischer Bischöfe vor, wobei terminologische Fragen zur zeitgebundenen "jurisdictio ecclesiastica" eine Rolle spielen. Auf der Höhe des rechtshistorischen Diskurses befindet sich dieser Abschnitt aber nicht; auch kommt der nationale Verfassungsrahmen des ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts zu kurz. Es folgen Ausführungen zu den Verfassungsstrukturen norditalienischer Fürstbistümer, die aber nicht generell, sondern exemplarisch analysiert werden. Die Antwort, warum gerade unter den kleineren Besitzungen die Diözesen Pavia und Concordia ausgewählt wurden, bleibt der Verfasser dem Leser schuldig. Das einleitende Kapitel (15-70) schließt mit Bemerkungen zur Bischofherrschaft in der "Ruinenlandschaft" der südlichen Toskana und einer für Süditalien geltenden, weitgehend vergessenen bischöflichen Feudalhoheit, dem "jus tappeti". Bei letzterem handelte es sich um Steuer- und Feudalabgaben an die Kurie, wie sie in den apulischen Erzbistümern Brindisi und Otranto, aber auch in Kalabrien verbreitet waren. Ausgehend von dem bis heute in Italien spürbaren Lamento der Bürger gegen staatliche Übersteuerung und Abgabenvielfalt wird schließlich - historisch motiviert - am Beispiel der Erzbistümer Salerno und Cassano versucht, der seit der Aufklärung virulenten Fragestellung nach der Berechtigung und dem Ausmaß des kirchlichen Grundbesitzes (inklusive aller bodengebundenen Feudalabgaben) empirisch nachzugehen. Auch hier folgt die Beispielauswahl zu einseitig dem bisherigen Forschungsstand, ohne die disparate Landschaft in der "Italia Sacra" durch die Einbeziehung reichlich vorhandener, aber ungedruckter Quellen oder eigener Archivstudien mit Blick auf Unerforschtes zu nivellieren.
Herzstück des Bandes ist dann der geografische Überblick (78-180), der im vornationalen Italien mit der Republik Venedig, Istrien und Trient beginnt. Brixen wird ausgespart, obwohl es ja auch wie Trient zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation zählte. Das Herzogtum Mailand, das Königreich Sardinien, die Republik Genua, Lucca, Parma, Piacenza und Modena, das Großherzogtum Toskana, der Kirchenstaat ("stato pontificio") sowie die Königreiche Neapel, Sardinien und Sizilien sind die folgenden politisch-kirchlichen Raster, nach denen in Nord-Süd-Richtung die Suche nach den "episcopi et principes" (Fürstbischöfen) fortgesetzt wurde. Wie schon oben angedeutet, bleibt auch für diesen grundsätzlich sehr verdienstvollen Teil der Veröffentlichung die Frage nach der Ausgewogenheit der Teile leider völlig offen. Die Einträge variieren quantitativ und qualitativ enorm, zu einzelnen Bistümern wie Pola oder Genf (!) erfährt man so gut wie nichts. Das mag zum einen sicher durch fehlenden Feudalbesitz erklärt werden, doch hätte sich auch hier die Präzision durch die Einbeziehung regionaler und kleinräumiger Forschung erhöhen lassen. Vieles von dem, was dabei der Leser in den enzyklopädischen Teilen des Buches zur Kenntnis nehmen darf, gehörte zudem in den kritischen Apparat, um die Lesbarkeit der Überblickstexte zu erhöhen.
Drei Exkurse zu den Fürsten- und Grafentiteln europäischer Bischöfe in Italien - hier schließen sich aber auch gleichberechtigt das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, Polen und Montenegro (!) an -, zu den Zeremonien beim Bischofseinzug in Novara und zur "Concordia" (Grundlagenvertrag) zwischen dem König von Sardinien und dem Bischof von Novara im Jahr 1767 beschließen den Band. Zwei dieser italienischsprachigen Exkurse sind älterer Literatur entnommen, der man sicher einen kritischen Kommentar und eine deutschsprachige Synopse zur Seite hätte stellen können.
Anmerkung:
[1] Christoph Weber: Bischöfe, Generalvikare und Erzpriester. Ein Beitrag zur Geschichte der kirchlichen Leitungsämter im Königreich Neapel in der frühen Neuzeit (= Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte; Bd. 9), Frankfurt a.M. / Bern 2000; ders.: Die Päpstlichen Referendare 1566-1809: Chronologie und Prosopographie (= Päpste und Papsttum; Bd. 31), 3 Teilbände, Stuttgart 2003/2004.
Wolfgang Wüst