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Stephan Conermann: Islamische Welten: Forschungen zum Mamlukenreich (1250-1517). Einführung, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 4 [15.04.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
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Islamische Welten: Forschungen zum Mamlukenreich (1250-1517)

Einführung

Von Stephan Conermann

Dieses Forum hat - im Gegensatz zu seinen Vorgängern - einen ganz bestimmten Herrschaftsverband zum Gegenstand, nämlich die Mamluken, die in der Zeit von 1250 bis 1517 Syrien und Ägypten kontrollierten. Eine zum größten Teil arabische Bevölkerung wurde hier von einer turkstämmigen Elite freigelassener Militärsklaven beherrscht, die sich durch ein sich selbst auferlegtes Gebot ständig zu regenerieren versuchte. Mamluk werden konnte nur ein außerhalb des islamischen Herrschaftsbereiches als Nichtmuslim frei geborener, dann versklavter, als Sklave nach Ägypten verbrachter, zum Islam konvertierter, in die Freiheit entlassener und schließlich ritterlich ausgebildeter Türke werden. Nur wer diese Bedingungen erfüllte war Mitglied der herrschenden Schicht mit allen dazugehörigen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Vorrechten. Die Zöglinge und Nachkommen gehörten nicht mehr dazu und mussten ihr Glück und Auskommen auf anderem Wege suchen. Nach außen hin war das Mamlukenreich eine mächtige Monarchie, ein Bollwerk des orthodoxen Islams. Dem Abendländer waren die Mamluken als Handelspartner Westeuropas im Indienhandel, als Kontrahenten und zugleich natürliche Alliierte der Osmanen, vor allem aber als Bezwinger und Nachfolger der Kreuzfahrer und damit Schirmherren der heiligen Stätten Palästinas wohl vertraut. Der außenpolitische Rahmen des Mamlukenreiches war raschem Wandel unterworfen. Mit dem Verschwinden des mongolischen Erzfeindes (und in sehr viel minderem Maße auch der Franken Palästinas) im frühen 14. Jahrhundert, dessen Abwehr bis 1310 alle Kräfte gefordert und die mamlukischen Exklusivrechte militärisch legitimiert und ideologisch fundiert hatte, kam das mamlukische System auf den Prüfstand. Sozial- und wirtschaftshistorisch nicht minder tiefe Zäsuren waren die Pestepidemie in der Mitte des 14. Jahrhunderts (Oberägypten wurde damals entvölkert, damit brachen wichtige ökonomische Säulen mamlukischer Existenz vorübergehend zusammen) und die Verheerung Syriens durch Timur. Die Wirtschaftskraft Ägyptens und Syriens konnte sich von diesen Katastrophen im 15. Jahrhundert nie wieder völlig erholen. Am Ende der Geschichte des Mamlukensultanates schließlich stand das Eindringen christlicher Mächte in das Rote Meer, den Vorhof des bewährten gewinnträchtigen Indienhandels, das gegen Nichtmuslime bis dahin rigoros abgeschottet geblieben war.

Seit dem Oktober 2011 hat die Mitte 2010 bewilligte DFG-Kollegforschergruppe "History and Society of the Mamluk Era" in Bonn (www.mamluk.uni-bonn.de) ihre Arbeit aufgenommen. Das Annemarie Schimmel Kolleg bietet den ca. 100 weltweit verstreuten Mamlukolog/inn/en ein einmaliges Forum zur wissenschaftlichen Reflexion über dieses doch recht singuläre Herrschaftsmodell. Fellows, Post-Docs und Doktorand/inn/en haben die Möglichkeit, für längere Zeit gemeinsam und individuell zur Geschichte und Gesellschaft des Mamlukenreiches zu arbeiten. So sind denn auch die in diesem Forum vertretenden Rezensionen - bis auf eine Ausnahme - von Mitgliedern des Kollegs verfasst worden, worüber ich mich persönlich sehr freue. Insgesamt gesehen kann man nicht sagen, dass die "Mamluken" und die von ihnen beherrschten Gemeinschaften schlecht erforscht sind. Wir haben es im Gegenteil mit recht regen Forschungsaktivitäten zu tun. Dies spiegelt sich auch in der inhaltlichen Reichweite der hier besprochenen Werke zu tun. Da geht es neben Dokumenten zum Katharinenkloster auf dem Sinai (Mazor zu Richards), den wechselhaften politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Jemen und dem Hijaz einerseits und Ägypten andererseits (Conermann zu Vallet bzw. Meloy) auch um das Schattenspieltheater (Conermann zu Guo) und die Stellung Jordaniens im mamlukischen Gesamtgefüge (Frenkel zu Walker). Darüber hinaus sind auch zwei sehr interessante kunsthistorische Arbeiten (Redlinger zu Rabbat und Özdilmaç zu Kenney) und eine archäologische Studie (Walker zu Burke) anzuzeigen. Eine Kulturgeschichte der mittelalterlichen arabischen Lesepraktiken und eine Darstellung des historiographischen Schrifttums der frühen Mamlukenzeit konnten die Rezensenten zwar nicht völlig überzeugen (Kreuzer zu Hischler und Angermann zu Massoud), doch stehen dem zwei lesenswerte Bücher über die Mamluken als Träger arabischsprachiger Bildung (Conermann zu Mauder) bzw. über die Aufgaben und die gesellschaftliche Funktion des Marktaufsehers (Wollina zu Stilt) gegenüber. Abgerundet wird das Forum durch zwei informative Abhandlungen zu den beiden bekannten hanbalitischen Gelehrten Ibn Taymiyya (gest. 1328) und seinem 1350 verstorbenen Schüler Ibn Qayyim al-Jawziyya (Al Ghouz zu Michot und Ben-Moshe zu Bori/Holtzman). Aber lesen Sie am besten selbst!

Rezensionen