Rezension über:

Nisha Wadhwa: Indian Music During Delhi Sultanate Period (13th to Early 16th Century), New Delhi: Kanishka Publishers 2015, XIII + 234 S., ISBN 978-81-8457-647-4
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Stephan Conermann
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Stephan Conermann: Rezension von: Nisha Wadhwa: Indian Music During Delhi Sultanate Period (13th to Early 16th Century), New Delhi: Kanishka Publishers 2015, in: sehepunkte 17 (2017), Nr. 7/8 [15.07.2017], URL: https://www.sehepunkte.de
/2017/07/30667.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Forum:
Diese Rezension ist Teil des Forums "Studien zum Delhi Sultanat (1206-1526)" in Ausgabe 17 (2017), Nr. 7/8

Nisha Wadhwa: Indian Music During Delhi Sultanate Period (13th to Early 16th Century)

Textgröße: A A A

Wir haben es bei dem zu besprechenden Buch offensichtlich mit einer an der Faculty of Music and Fine Arts der Delhi University angefertigten Promotionsschrift zu tun. Die Studie weist eine Reihe von Schwächen auf, die leider recht typisch für indische Qualifikationsschriften sind. Solche Arbeiten sind weitgehend deskriptiv, wenig analytisch, in ihrer wissenschaftlichen Argumentation bisweilen problematisch und formal häufig unsauber. Dies soll weder heißen, dass die Autoren und Autorinnen sich nicht viel Mühe gegeben haben, noch, dass die behandelten Themen uninteressant sind. So befasst sich auch Nisha Wadhwa mit einem sehr spannenden Gegenstand, nämlich mit indischen Texten aus dem 13. bis 16. Jahrhundert, die im engeren oder weiteren Sinn das Phänomen "Musik" behandeln.

"Musik" ist aus vielerlei Gründen für ein Verständnis des Delhisultanates wichtig. Es sind zahlreiche zeitgenössische Abhandlungen in verschiedenen Sprachen auf uns gekommen, die sich zum Teil aufeinander beziehen und daher auf ein von mehreren Gruppen geteiltes Kulturgut verweisen. Diese gemeinsamen Bezüge deuten auf Alltagspraktiken hin, die die bis heute gerne konstruierte Trennung der "mittelalterlichen" nordindischen Gesellschaft in einen muslimischen und einen nicht-muslimischen Bereich hinterfragen. In diesen Kontext müssten dann auch die bisher noch nicht so richtig verstandenen Zusammenhänge und Bezüge zwischen der Bhakti-Bewegung und dem Sufismus eingeordnet werden. Solchen Verflechtungen und Interaktionen etwa am Beispiel der Musik nachzugehen, stellt ein großes Desideratum in der Forschung dar.

Nisha Wadhwa hätte die Chance gehabt, dieses komplexe Feld zu bearbeiten, doch sie kommt in den beiden hinleitenden Kapiteln ihrer Arbeit ("Royal Patronage to Indian Music" und "Contribution of Sufism and Bhakti Movement") nicht über summarische und oberflächliche Aussagen hinaus. Ferner vermisst man schmerzlich eine Diskussion des Forschungsstandes. Aus islamwissenschaftlicher Sicht hätte sie ihre Ergebnisse in Bezug zu den wegweisenden Arbeiten von Carl W. Ernst, Bruce B. Lawrence, Éloïse Brac de la Perrière, Finbarr B. Flood, Philip B. Wagoner, Francesca Orisini, Alka Patel und Samira Sheikh setzen müssen. [1]

In den beiden folgenden Abschnitten bietet die Verfasserin dem Leser eine sehr wertvolle Auflistung und (zum Teil ausführliche) Beschreibung aller (?) Abhandlungen zum Thema "Musik" - erst die in indischen Sprachen, dann die persischen. Bei den persischen Texten handelt es sich (1) um Auszüge aus Amīr Ḫusraws (lebte 1253-1325) "Iʿǧāz-i Ḫusrawī", (2) um die von Yaḥyā Kābulī für Sikandar Lodhi (reg. 1489-1517) angefertigte "Lahǧāt-i Sikandaršāhī" und (3) um das von einem anonymen Autor während der Herrschaft Fīrūz Šāh Tuġluq (reg. 1351-1388) verfasste Traktat "Ġunyat al-Munya". Die in der Arbeit benutzte Textgrundlage scheint mir ein wenig problematisch zu sein, doch mag sie zum Teil einfach die Unzugänglichkeiten in der Literaturversorgung vor Ort widerspiegeln. Für die Ausschnitte aus dem "Iʿǧāz-i Ḫusrawī" benutzt Nisha Wadhwa die sehr unzuverlässige und oftmals fehlerhafte Lithografie-Ausgabe aus Lucknow aus dem Jahr 1876 [2] und für die "Lahǧat-i Sikandaršāhī" eine (nicht näher beschriebene) Handschrift aus der Tagore Library der Universität von Lucknow. [3] Allein für die "Ġunyat al-Munya" greift sie auf die recht ordentliche Edition von Shahab Samardee (Bombay 1978) zurück. Die Verfasserin präsentiert uns von den drei Texten lange Inhaltsangaben. Da jedoch von dem "Iʿǧāz-i Ḫusrawī" und der "Ġunyat al-Munya" bereits Übersetzungen vorliegen [5], ist hier der Mehrwert letzten Endes nicht ganz klar. Hochspannend sind auf jeden Fall die mannigfaltigen intertextuellen Bezüge in den Werken. Alle beziehen sich auf nicht-muslimische Vorlagen, sodass Musik (und Tanz) auf diese Weise in einen multikulturellen Kontext eingebettet werden. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn sich die Autorin insgesamt ein wenig mehr um dieses synkretistische Umfeld gekümmert hätte. Eine Aufgabe, die dann andere machen müssen.


Anmerkungen:

[1] Richard M. Eaton: Sufis of Bijapur, 1300-1700. Social Roles of Sufis in Medieval India, Princeton 1978; Carl W. Ernst: The Eternal Garden. Mysticism, History, and Politics at a South Asian Sufi Center, Albany 1992; Richard M. Eaton: The Rise of Islam and the Bengal Frontier, 1204-1760, Berkeley 1993; Carl W. Ernst / Bruce B. Lawrence (Hgg.): Sufi Martyrs of Love. Chishti Sufism in South Asia and Beyond, Basingstoke 2002; Alka Patel: Building Communities in Gujarat. Architecture and Society during the Twelfth through Fourteenth Centuries, Leiden / Boston 2004; Éloïse Brac de la Perrière: L'art du livre dans l'Inde des sultanats, Paris 2008; Finbarr B. Flood: Objects of Translation. Material Culture and Medieval 'Hindu-Muslim' Encounter, Princeton 2009; Francesca Orsini: Before the Divide. Hindi and Urdu Literary Culture, New Delhi 2010; Samira Sheikh: Forging a Region. Sultans, Traders and Pilgrims in Gujarat, 1200-1500, New Delhi 2010; Richard M. Eaton / Phillip B. Wagoner: Power, Memory, Architecture. Contested Sites on India's Deccan Plateau, 1300-1600, New Delhi 2014.

[2] Es wäre leicht gewesen, sich eine der in europäischen Bibliotheken vorhandenen Manuskripte des "Iʿǧāz-i Ḫusrawī" zu besorgen: Hermann Ethé: Catalogue of Persian Manuscripts in the Library of the India Office. Vol. 1, Oxford 1903, # 1219; Charles Rieu: Catalogue of the Persian manuscripts in the British Museum. Vol. 2, London 1881, Add, 16841; Wilhelm Pertsch: Verzeichniss der persischen Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin (= Die Handschriften-Verzeichnisse der Königlichen Bibliothek zu Berlin; Bd. 4), Berlin 1888, # 1055; oder Eduard Sachau / Hermann Ethé: Catalogue of the Perisan, Turkish, Hindûstânî and Pushtû manuscripts in the Bodleian. Vol. 1: The Persian manuscripts, Oxford 1889, # 1337.

[3] Offenbar hatte sie keinen Zugang zu der Ausgabe von Shahab Samardee aus dem Jahr 1999.

[4] Sarmadee, Shahab: Ghunyat-ul-Munya: The Earliest Work on Indian Music, Delhi 1978; und ders.: Amīr Khusrau's prose writings on music in Rasāʾilʾul iʿjāz, better known as Iʿjāz-i Khusrawī (Risāla II, Khaṭṭ 9, ḥarf iii), Kolkata 2004.

Stephan Conermann